Pelbar 4 Der Fall der Muschel
Landschnecken mit Schildkröten ab, alle nach rechts gerichtet. Der dritte Streifen zeigte die vier vertrauten Formen eines sich wandelnden Schmetterlings – Ei, Raupe, Puppe und fliegendes Insekt. Darüber stellte ein weiterer Streifen Threerivers selbst dar, dann folgten ein sorgenvolles Gesicht, ein Miniaturbild der dritten Zelle und schließlich ein rennender Mann.
Als Brudoer die sorgenvollen Gesichter studierte, erkannte er, daß jedes anders war. Sie schienen Zorn, Frustration, Sorge, Schmerz und grüblerische Selbst-besinnung darzustellen; jedes sechste Gesicht war von Händen bedeckt. Brudoer erkannte in jedem einzelnen sich leicht selbst wieder. Aber die Bedeutung des Ganzen entging ihm. Er fand auch heraus, daß die vier Buchstabenstreifen nicht nach demselben Schlüssel zu entziffern waren wie in der Zelle vorher.
Während er sie studierte, schwang die Tür knirschend auf, und die Ardena trat ein. Als der Wächter ging, befahl sie ihm, die Tür hinter sich zu schließen.
Brudoer stand auf, um sie zu begrüßen und verneigte sich höflich. Angesichts dessen zog die Ardena die Augenbrauen hoch.
»Es ist düster hier drin«, sagte sie. »Komm, setz dich unter das Fenster!« Sobald sie Platz genommen hatten, schaute sie ihn genauer an, dann seufzte sie.
»Nun, Kleiner, hast du von den Leuten gehört, die geflohen sind, als du ausgepeitscht werden solltest?«
»Ja, Ardena.«
»Fünf von ihnen sind tot, und vier von den Gardisten, die sie verfolgten.«
»Tot? Neun Tote? Wieso?«
»Peshtak. Sie sind auf Peshtak gestoßen und wurden von den Gardisten von Pelbarigan gerettet. Die haben mit ihrer neuen Waffe dreiundsechzig Peshtak getötet. Drei verwundete Peshtak haben in Pelbarigan überlebt.«
»Das ist erstaunlich.«
»Pelbarigan wird die Flüchtlinge nicht zurückschicken; drei von den Gardisten, die ihnen gefolgt sind, haben sich ebenfalls zum Bleiben entschlossen.«
Sie schaute ihn an. »Du hast etwas in Gang gesetzt, Brudoer. Es könnte das Ende von Threerivers bedeuten. Nur du kannst es jetzt noch aufhalten.«
»Ich, Ardena? Was ist mit der Protektorin?«
»Sie wird es nicht tun. Ihre konservative Partei ist dadurch nur stärker geworden, denn alle, die fortgegangen sind, waren anderer Meinung als sie. Das mußt du einsehen.«
»Aber wenn die Protektorin selbst die Vernichtung der Stadt nicht aufhalten will, wie kannst du es dann von mir erwarten?«
»Wenn der Knabe weiser ist als die Protektorin, wäre er dazu imstande.« Brudoer schaute zur Tür.
»Keine Angst«, sagte die Ardena noch. »Mein Neffe hat Wache.«
»Hast du mir die Buchstaben aus der ersten Zelle mitgebracht?« Die Ardena griff in ihren Ärmel und zog ein Papier hervor, setzte sich dann, während Brudoer es entfaltete und mit gerunzelter Stirn die Buchstaben studierte.
Nach einer Weile sagte sie: »Dazu hast du vermutlich auch noch Zeit, wenn ich fort bin. Ich wünschte, ich könnte dich verstehen.«
»Wenn ich dir sagte, was ich bisher in diesen Mauern gesehen habe, was würdest du tun?«
»Tun? Was möchtest du denn, daß ich tue?«
»Nichts.«
»Dann werde ich nichts tun.«
Brudoer schaute sie an. »Die Bilderreihen folgen einem Muster«, sagte er. »Das ist alles, was ich bisher erkannt habe. Ganz unten sind Eier und Muscheln.
Beides sind Schalen. Weißt du, Bival hatte recht, Schalen sind wichtig. Darüber sind Schnecken und Schildkröten. Das sind ebenfalls Geschöpfe mit Schalen, aber sie tragen ihre Schalen mit sich. Sie können sich bewegen. Als nächstes kommen die Veränderungen eines Schmetterlings, von denen wir ja alle lernen. Das erste Stadium ist auch ein Ei, dann kommt die Raupe. Im Kokon befindet sich der Schmetterling dann in einer anderen Art von Ei. Schließlich entwik-kelt er sich zu einem Schmetterling. Das ist bisher das erste wirklich freie Wesen. Es kann fliegen.
Bei der Reihe darüber bin ich mir nicht sicher, aber ich glaube, dort wird das Muster der Reihe darunter wiederholt. Threerivers ist das Ei. Wie die Wesen auf der untersten Reihe kann es sich nicht bewegen. Dann kommt das sorgenvolle Gesicht. Ich sehe mein eigenes darin. Aber es könnte auch jeder andere sein, der in diese Zellen gesteckt wird. Dann kommt die Zelle selbst, die wie das Kokonstadium des Schmetterlings ist. Endlich ist der Mann frei – wie der Schmetterling.«
Die Ardena starrte die Mauer an, zuerst, um dem Jungen seinen Willen zu tun, dann sah sie die Bezüge in dem, was er sagte, die er niemals hätte erkennen
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