Pelbar 4 Der Fall der Muschel
Gardehauptmann zögerte und drehte sich zur Protektorin um, die keine Bewegung machte.
Wieder erdröhnte die Trommel, aber der Gardehauptmann starrte nur über den Kopf der Protektorin.
»Gardehauptmann, tu deine Pflicht!« sagte die Protektorin.
»Feuer«, schrie der Gardehauptmann. »Der Breite Turm brennt.« Sie schaute über die Köpfe der Menge hinweg. Die Gardistin an der Trommel wirbelte herum und sagte: »Gütige Aven, es stimmt. Gardist, gib Alarm!« Alle standen auf und drehten sich um. Udge sah dichten Rauch aus den Fenstern ihres Privatturms quellen.
»Gardisten, laßt abtreten! Bringt den Jungen zurück ins Gefängnis! Schnell! Die Stadt muß gerettet werden!«
»Die Stadt?« schrie die Ardena. »Die Stadt, du altes Leck im Dach? Du. Du meinst dich selbst, genau wie du dem Jungen das Armband für dich selbst gestohlen hast.«
Udge wandte sich ihr kurz zu, eilte dann aber, um ihre Besitztümer besorgt, davon.
Der Gardehauptmann schaute den Trommelgardi-sten an. »Komm! Hilf mir, den Jungen herunterzu-holen! Ich glaube, der hat jetzt ohnehin genug.«
Während sie an den Stricken arbeiteten, fragte der Trommelgardist: »War da eine Schrift in dem Armband?«
Der Gardehauptmann schnitt eine Grimasse. »Ja«, sagte sie dann.
In dieser Nacht kam Rotag in die vierte Zelle, um Brudoer wieder zu waschen. »Wir können sprechen«, sagte sie. »Der Gardist ist einer von uns.«
»Von uns? Ahhhhhhhhh. Nicht! Nicht da!«
»Wir müssen es säubern. Kannst du dich nicht entschuldigen? Mußt du uns durch diese ganze Geschichte schleppen?«
»Was sagt Vater dazu?«
»Vater? Hör mir zu«, sagte sie und schüttelte ihn leicht. Brudoer zog pfeifend die Luft ein. »Entschuldige. Hör zu! Du reißt die Stadt auseinander.«
»Ich? Nein, Udge, dieser alte Moderhaufen tut das.
Sogar mein Armband hat sie gestohlen. Und dabei hat sie schon so viel.«
»Deines? Was war das für eine Geschichte mit der Inschrift? Wo hast du es her?«
»Aus der dritten Zelle. Du wirst es nicht verraten?
Craydor hat es dort versteckt für jeden, der schlau genug war, es zu finden.«
»Die Inschrift?«
»Die war da, genauso, wie Cilia sie vorgelesen hat.«
»Ich verstehe das nicht. Halt still!«
»Was ist mit dem Feuer? Was war da los?«
»Ein Brand. Jemand hat im vorderen Zimmer der Protektorin einen Haufen alter Futtersäcke aufgestapelt und sie angezündet. Sie waren feucht und machten eine Menge Qualm.«
»Wer?«
»Wer? – Was weiß ich? Ich weiß nicht, wie man da hineinkommt.«
»Ja. Natürlich. Ich komme hier schon zurecht.
Mach dir meinetwegen keine Sorgen.«
»Wie konntest du nur so mit ihr sprechen? Wo hast du bloß all diese gräßlichen Schimpfwörter aufgeschnappt? Du machst alles so schwierig.«
»Das ist mir inzwischen gleichgültig. Mir ist alles gleichgültig. Schau. Gamwyn ist fort. Wir sind alle diskreditiert. Hier unten lerne ich vieles. Laß mich in Ruhe damit!«
Rotag seufzte und tupfte den Rücken ihres Sohnes vorsichtig trocken. »Viel mehr halte ich nicht aus.«
»Ich schon.«
»Ich konnte dich noch von der zweiten Ebene schreien hören. Mir blieb fast das Herz stehen. So hältst du es also aus?«
»Ich wollte nicht schreien. Aber so war es leichter.«
Schließlich ging Brudoers Mutter. Mit dem Jungen zu diskutieren war nicht anders gewesen, als wenn sie mit ihrem eigenen Gatten sprach. Ihre Hände zitterten, weil sie nicht fähig war, ihn zur Vernunft zu bringen.
Brudoer lag lange Zeit da und hatte Schmerzen.
Dann blickte er zu den Mauern auf. Sie waren fast kahl, trugen keine Inschriften, nur ein Fries aus Flußmuscheln wie in der Zelle vorher und einige von den Steinmustern, aber viel größer. Enttäuscht sank er zurück. Nein. Craydors Botschaften hatten immer etwas zu bedeuten. Er mußte nur herausfinden, was.
NEUN
Gamwyn wanderte am Westufer flußabwärts, nachdem er auf einem Stamm übergesetzt hatte. Er kam nur langsam voran, weil er sich Nahrung beschaffen mußte, hauptsächlich fischte er und sammelte die spärlichen Winterfrüchte. Während er tiefer ins Tusco-Territorium eindrang, versuchte er abzuschätzen, wie weit er noch von der Siedlung U-Bend entfernt war. Schließlich beschloß er, sich nach Westen hin zum Fluß zu entfernen und nach Süden zu wandern, bis er weiter außer Reichweite der in schwarzes Leder gekleideten Polizeipatrouillen der Tusco war.
Jaiyan hatte gesagt, sie hießen Nicfad und hätten Hunde, die dem Geruch eines Menschen so nachspü-
ren konnten, als
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