Pelbar 4 Der Fall der Muschel
Schweinen, wenn sie fluchen.«
Sagan lächelte säuerlich. Dann lachte sie aus vollem Halse. »Du meinst, die Krankheit wird durch das Essen übertragen?«
»Wahrscheinlich. Und durch den Umgang mit den Tieren. Er glaubt, man könnte den Kreislauf unter-brechen, wenn sich die Krankheit nicht noch einmal verändert.«
»Kann er sie heilen, wenn sie einmal ausgebrochen ist?«
»Er arbeitet jetzt an einer alten, selbstentwickelten Formel, die Panimmun heißt. Aber die Bestandteile fehlen ihm. Er glaubt, das würde die Seuche zum Stillstand bringen. Er glaubt auch, daß der Charakter des Einzelnen etwas mit der Anfälligkeit dafür zu tun hat.«
»Der Charakter? «
»Ja. Ich habe seine Erklärung nicht verstanden. Es ging irgendwie um die Veränderung der Sekretion bei jemandem, der zum Zorn neigt.«
»Dann hat sie der, den wir Red nennen. Der größ-
te.«
Ahroe zog die Augenbrauen hoch. »Ja, der ist es.«
Die Protektorin erhob sich, beugte sich, bevor Ahroe aufstehen konnte, zu ihr hinunter und küßte sie auf die Stirn. »Wie geht es der Kleinen?«
»Gut. Stel verwöhnt sie, glaube ich, aber es geht ihr gut.«
»Gib ihr kein Schweinefleisch zu essen!«
»Nein.«
»Dann wollen wir also diese Peshtak bearbeiten, um zu sehen, was wir erfahren können. Man möchte meinen, sie würden höflicher, wenn wir ihnen helfen können.«
»Ich weiß nicht, Protektorin. Ihrer Bösartigkeit scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein.«
»Es gibt immer eine Grenze, Ahroe. Es muß eine geben. Sie sind Menschen.«
»Menschen. Aber wozu sind Menschen nicht fä-
hig!«
»In beiden Richtungen, Ahroe. In beiden Richtungen.«
VIERZEHN
Nach einer kurzen Rast ruderten die beiden jungen Tuscosklaven mit langen, langsamen Schlägen weiter.
Gamwyn beobachtete sie und sah, daß sie Bruder und Schwester sein mußten und nicht viel älter waren als er. Er merkte, daß sie ihn anschauten, aber sie wirkten nicht unfreundlich, nur verzweifelt.
Nach einiger Zeit sagte er: »Ich heiße Gamwyn. Ich bin ein Pelbar aus der Stadt Threerivers. Ich will zum Südozean, um eine Muschel zu suchen.«
»Threerivers?« fragte der Junge.
»Ja. Kennst du es?«
»Hab' davon gehört.« Gamwyn fand, daß er schleppend sprach und die Konsonanten ver-schluckte.
»Ich heiße Artess«, sagte das Mädchen. »Das ist Reo. Mein Bruder. Wir sind Zwillinge.«
»Woher kommt ihr?« Gamwyn sah, wie sie zögerten. »Entschuldigt. Ich sollte nicht fragen. Wie Siveri sprecht ihr nicht.«
»Wir haben in Murkal gelebt, bei den Alats, bis wir fliehen konnten. Aber dann wurden wir von den Tusco aus High Tower gefangengenommen. Dort waren wir über ein halbes Jahr. Und das hier ist das Alat-Boot, in dem wir geflohen sind.«
»Aha. Ich sehe, daß ihr gut damit umgehen könnt.«
»Flußabwärts geht's viel einfacher.«
»Murkal. Kommen wir daran vorbei? Ich meine ...
ich meine nur, ist es wie bei den Tusco?«
Artess seufzte und stützte sich auf ihr Paddel. »In mancher Hinsicht ist es besser, in anderer schlimmer.«
»Nein. Schlimmer nicht.«
»Vielleicht. Komplizierter. Ja. Wir können daran vorbeikommen. Wir haben schon beschlossen, fluß-
abwärts zu fahren, falls wir je 'ne Chance kriegten.
Du willst bis zum Südozean? Dann gehen wir zusammen, was, Reo?«
»Ja. Aber an Murkal müssen wir vorbei. Das liegt mir im Magen.«
»Versklaven sie einen auch wie die Tusco?« fragte Gamwyn.
»Nicht ganz. Aber das wär' egal. Sie halten einen einfach in Schulden.«
»In Schulden? Wie meinst du das?«
»Du arbeitest dir die Finger wund und brauchst trotzdem mehr zum Leben, als du rauskriegst. Die Investoren. Die kriegen alles.«
Gamwyn schwieg. Noch so eine Problemgesell-schaft. »Haben sie Nicfad?«
»Nein. Nur Militär. Ich bin ziemlich sicher, daß wir nachts dran vorbeischleichen könnten«, sagte Artess.
»Wir suchen uns 'ne dunkle Nacht und treiben am Westufer vorbei, das ist ganz von Gebüsch über-wachsen.«
»Wie weit sind sie jetzt entfernt?«
»'n gutes Stück. Nicht mehr so schlimm jetzt, nur noch die Nicfad.«
»Ich glaube, die haben mit sich selbst genug zu tun«, sagte Gamwyn. »Du brauchst jemandem nur ein wirklich großes Problem zu geben, dann neigt er dazu, so Kleine wie uns nicht mehr zu beachten.«
Reo lachte leise. »Ich hab' Hunger«, sagte er.
»Kannst du fischen?«
Gamwyn machte ein überraschtes Gesicht. Sie schauten ihn erwartungsvoll an. Auf einmal fühlte er sich sehr erleichtert. Sie brauchten ihn. Seine Hilfe.
Sie
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