Pelbar 5 Ein Hinterhalt der Schatten
hinaus.«
Stel strich ihr das Haar aus dem Gesicht, blieb lange sitzen und schaute sie an, während sie ihn weiter mit den schlimmsten Ausdrücken beschimpfte, die sie bei den Tantal gelernt hatte. Endlich sagte sie: »Nicht einmal deine Frau oder deinen Sohn hast du halten können, du leere Schlangenhaut.«
Zum erstenmal antwortete Stel: »Nein. Du hast recht. Und meine Tochter auch nicht, so wie es aussieht.«
»Ich bin nicht deine Tochter. Ich werde es niemals sein. Niemals!«
»Das macht nichts«, brachte Stel ruhig heraus.
»Das ist auch besser so.«
»Wichtig ist, daß du frei bist, und deinen Geist werden wir auch wieder befreien, damit du die Dinge richtig sehen kannst.«
»Ich bin jetzt zum erstenmal frei – von dem ganzen Unsinn über Aven.«
»Kannst du dich noch daran erinnern? An irgendwelche Gebete?«
»Wer will die schon? Du legst mich nicht herein.«
»Blan ist dir also lieber?«
»Er hat Macht. Blan kann die Hand ausstrecken und zerstören. Mit unsichtbarer Kraft. Das hast sogar du gesehen. Er hat die Tantal erwählt, und ich gehöre zu ihnen.«
»Blan ist jetzt nur noch ein Loch im Dach. Wir haben ihn hochgejagt. Du müßtest schon eifrig suchen, um die Trümmer zu finden. Und dann hättest du nur radioaktives Metall. Mehr war er nicht. Nur eine alte Statue, die tödliche Strahlung aus der Zeit des Feuers abgab. Du bist zu intelligent, um so etwas einen Gott zu nennen. Blan ist schlicht überhaupt nichts mehr.«
Raydi überlegte. »Das sagst du nur so. Schon wieder eine Lüge.«
»Keine Lüge. Wirst du brav sein, wenn ich dich losbinde? Wirst du wieder Sachen kaputtmachen? Du kannst es dir aussuchen. Du kannst hierbleiben und brav sein, oder gefesselt werden, oder du kannst un-gefesselt unten in einem leeren Lagerraum bleiben.«
»Ich verspreche dir gar nichts, du stinkender Fetzen. Du Dreckhaufen. Du Gestank aus fauligen Blättern. Du Haufen ...«
Stel schob ihr sanft den Knebel wieder in den Mund und lachte sie an. »Ich stimme dir in allem zu, meine liebste Raydi. Aber keine deiner Beschimpfungen – die übrigens nicht sonderlich einfallsreich sind – ändert etwas an den Tatsachen. Du bist als Pelbar geboren. Du bist frei aufgewachsen. Man hat dich gefangengenommen. Jetzt glaubst du diesen Geistes-verdrehern. Aber du wirst wieder frei sein. Nichts kann deine Freiheit aufhalten. Sie wird kommen.
Wenn ich sie dir nicht zurückgeben kann, dann kann es jemand anders. Wir können dich mehr lieben, als du hassen kannst. Du kannst ruhig jetzt schon aufgeben, denn wir haben dich zurückgewonnen – ganz gleich, wie lange es dauert, wir haben dich zurückgewonnen.«
Dann machte Stel systematisch den Raum sauber und wollte gehen. Vorher zog er ihr noch mit einem Griff den Knebel aus dem Mund und schloß vor ihren Schreien und Beschimpfungen mit lautem Lachen die Tür, innerlich aber fühlte er sich leer und verzweifelt.
Als er das Deck erreichte, traf er Omis, die junge Frau, die er auf der ›Sturmwolke‹ kennengelernt hatte und die auf ihn wartete.
»Ich muß mit dir sprechen.«
»Komm mit nach vorne.« Sie gingen auf den Bug des Schiffes zu, der fast genau in die untergehende Sonne zeigte.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Wieso?«
»Du wirst nichts verraten?«
»Nein. Ich verrate nichts.«
»Ich bekomme ein Kind.«
»Gut. Diese Gruppe hier braucht neue Menschen.«
»Bitte hör zu! Es ist ein Kind der Armee. Sie werden es töten. Der Vater ist ein Tantal.«
»Wenn das Kind kommt, können sich die Pelbar darum kümmern.«
Omis schaute ihn mit Tränen in den Augen an. »Ich will mein Kind selbst haben.«
»Du kannst es haben. Ich sehe nicht, wo die Schwierigkeit liegt. Das ist doch gar kein Problem.
Was? Gibt es sonst noch etwas?«
»Du wirst mich nicht verraten?«
»Nein.«
»Der Vater. Ich liebe ihn. Er ist ein Mann aus der Armee, ein Tantal. Ich kann es nicht ändern. Ich liebe ihn. Er heißt Ibran. Er ist ein guter Mann. Wir ...«
»Wir? Ich dachte ...«
»Er liebte mich auch. Ich weiß es. Wir haben zuviel Zeit miteinander verbracht, um ...«
»Du weißt, daß das Kind von ihm ist?«
»Ja. Ganz sicher. Er hatte Freunde. Sie haben ihn auch beschützt.«
»Woher weißt du, daß er noch lebt?«
»Ich weiß es nicht.« Sie begann zu schluchzen, faßte sich dann und schaute nach hinten zu den Peshtak-Männern an Deck. »Was soll ich tun?«
»Ich weiß es nicht, Omis. Wenn ich helfen kann, tue ich es. Ich kann dir einen guten Platz für das Kind
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