Pelbar 5 Ein Hinterhalt der Schatten
werden ihn in guten Schwarzbeerwein mischen. So. Wenn wir mit dem Begräbnis fertig sind, werde ich es euch er-klären. Diesmal verlieren wir zwar ein paar Vorräte, aber keine Männer – hoffe ich.«
»Vorräte?«
»Die gibt es doch wohl in jedem Lager. Es muß echt aussehen, wenn sie uns daraus vertreiben.«
Adow runzelte die Stirn. »Das kommt mir nicht sonderlich heldenhaft vor.«
»Ja. Genau wie Bienenkörbe mit verstecktem Sprengstoff. Stell es dir vor wie eine neue Art von Falle. Und wir müssen unsere Wachenkreisposten verstärken. Diese Einzelkundschafter müssen wir ausfindig machen, auch wenn sie noch so gut sind.«
Blu hörte ein Hüsteln hinter sich. Die Gardisten waren bereit für die Begräbniszeremonie. Ein Stück hinter ihnen sahen die beiden Tantal-Gefangenen niedergeschlagen zu. Der Verwundete lag bleich und reglos da. Sein Freund, der neben ihm an einen Pfahl gebunden war, scheuchte Fliegen weg.
In Pelbarigan saß Dahn am Rand von Garets Bett; er brachte ihr das Lesen bei. Sie besaß einige Grund-kenntnisse, aber die waren so ungenügend, daß es ihn schockierte. Schließlich legte er die Rolle nieder und seufzte.
»Dahn, willst du für mich nach Threerivers gehen?«
»Jetzt? Ohne dich? Nein.«
»Du mußt. Um mit meiner Mutter zu sprechen.«
Dahn runzelte die Stirn. »Ich habe es versucht. Was habe ich falsch gemacht?« fragte sie leise.
»Du? Nichts. Es ist nur ...« Er verstummte.
»Wenn du mit Aintre allein sein willst, gehe ich ein wenig spazieren. Aber ich will nicht so weit weg.«
»Darum geht es nicht. Ich ... ich möchte, daß du Achtung vor meiner Mutter hast. Aber sie muß von dir erfahren, daß Stel dich gerettet hat. Sie ... sie hat sich von ihm entfernt. Ziemlich weit.« Garet schaute zu Dahn auf und sah, daß sie die Hände vor den Mund gelegt hatte.
Sie stand auf, ging zum Fenster und starrte hinaus.
»Ich will nicht fort. Es würde komisch aussehen.«
»Dort gibt es Peshtak.«
Sie drehte sich um und schaute ihn an, dann blickte sie zu Boden und flüsterte: »Ich kann nicht.«
Garet begriff plötzlich, daß sie sich gerade deshalb Sorgen machte. Würden sie sie aufnehmen, nachdem sie eine Tantal-Sklavin gewesen und – grausam miß-
handelt worden war? »Na, schon gut. Komm her und küß mich, kleine Schwester! Ich glaube, ich muß jetzt schlafen.«
Sie kam wirklich, küßte ihn flüchtig, drehte sich dann um und ging. Garet wartete eine Weile, dann richtete er sich unter Schmerzen auf, wälzte sich auf die Seite, setzte die Füße auf den Boden und erhob sich. Er zuckte ein wenig zusammen. Zuerst hüpfte er auf einem Bein, dann merkte er, daß sein verletztes Bein das Gewicht tragen konnte. Er humpelte zur Tür und schaute hinaus. Der Gang lag im Dunkeln, wurde von der kleinen Lampe in einer entfernten Nische kaum erhellt. Er wandte sich zurück, schloß lautlos die Tür und humpelte zum Schrank, um seine Kleider zu holen. Dann würde er eben selbst gehen. Man brauchte kein heiles Bein, um ein Pfeilboot zu rudern.
Trotzdem zuckte er zusammen, als er sich sein Kurzschwert umschnallte.
In Ginesh, im Sektor der Zentralen Weisheit schaute Syst, ein junger Vater, von dem Pflockspiel auf, das er gerade mit seinem Sohn spielte. Seine Tochter sang in ihrem Zimmer ein merkwürdiges Lied. Syst lauschte.
Ihre klare Stimme trug die Melodie langsam, in ge-messenem Rhythmus zu ihm: »Wie Stromes Fluten spät im Lenz sind eisig noch vom Winterschnee, obwohl Jungvögel fliegen längst, in dichtem Laub die Eichen steh'n, so hängt deines Abschieds Kälte hier, magst auch in Avens Hut du sein, so beten wir, auch wenn wir dir ...«
»Novis«, rief Syst. »Novis, komm auf der Stelle her!«
Ein schlankes Mädchen mit rotem Haar erschien erschrocken in der Tür. Sie hatte einen Kamm in der Hand, in dem sich eine dünne, wirre Haarsträhne verfangen hatte.
»Was hast du da gerade gesungen? Was auf Blans großer Welt war das?«
»Ach, nichts. Nur ein Lied, das das Pelbar-Mädchen immer gesungen hat. Ich habe es drüben bei Orsin gehört.«
»Nie, nie, nie wieder wirst du das singen, hörst du?
Niemals. Nicht in diesem Haus und auch nicht au-
ßerhalb davon. Es ist böse und gefährlich.«
Novis schob die Unterlippe vor. »Ich finde – es ist ganz hübsch«, sagte sie leise.
»Nein. Es ist nicht hübsch. In meinem eigenen Haus zu falschen Göttern zu singen. Niemals!«
Novis begann zu weinen. Sie drehte sich um und wollte heulend den Gang hinunter.
»Novis, komm sofort
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