Pelbar 7 Das Schwert der Geduld
er, drehte sich um und lief, gefolgt von Kensing und Xord, das schlammige Ufer hinunter.
Er hockte im Schatten eines großen, umgedrehten Bootes, als sie darunterschauten. Ein ziemlich kleiner Mann kam gebückt heraus, die Flöte immer noch in der Hand, das Haar in Schüsselform geschnitten wie bei Jestak. Die beiden Männer umarmten sich förmlich, dann schauten sie sich an, ohne die Unterarme loszulassen.
»Unterführer Kensing, Xord, das ist Stel Westläufer aus Pelbarigan, durch irgendein Wunder ist er hier, so weit weg von zu Hause.«
Stel nickte. »Kein Wunder«, murmelte er. »Ich brauche Augengläser – oder wenigstens eines. Nach Hause konnte ich nicht, um mir welche zu beschaf-fen, so kam ich hierher, in der Hoffnung, sie zu bekommen. Es wird noch daran gearbeitet. Bisher noch kein rechter Erfolg.«
»Eines?« fragte Jestak.
»Mein Auge – das rechte wurde verletzt, als ich in Haft war – sieht jetzt nur noch verschwommene Schatten. Ich gebrauche es wenig. Die Welt ist flach und unwirklich geworden. Sie hat all ihre Tiefe und Fülle verloren. Für grobe Tätigkeiten geht es ja, aber feine Arbeiten kann ich ohne Linse kaum machen. Al-so. Unterführer? Xord? Ich freue mich, euch kennenzulernen. Jes, du bist vermutlich in offizieller Mission hier? Ein Bündnis? Ein Vertrag? Etwas ähnlich Hoch-gestochenes?
Ich habe so einiges munkeln hören, aber nur von Fischern. Ich arbeite jetzt für Fischer. Wir machen uns mehr Sorgen um Gezeiten und Wetter als um Politik.
Wetter und Flut verbinden uns gut. Ein unwillig'
Gemüt auseinander uns zieht. Kommt! Steht nicht im Schlamm herum. Kommt herauf aufs Dach und setzt euch!«
Die Gruppe kletterte eine Holztreppe hinauf, die Stel an dem gewölbten Rumpf befestigt hatte, und alle setzten sich auf eine lange Bank, die er an dem nach oben gedrehten Kiel angebracht hatte. Sie un-terhielten sich einige Zeit, bis die Dämmerung die ganze Szene verdüsterte. Schließlich bemerkte Jestak Kensings Unbehagen und führte seine Begleiter vom Schiffsrumpf herunter.
Stel blieb oben auf der Bank. Als die drei sich vorsichtig den Weg durch das schlammige Hafengelände suchten, rief Stel ihnen nach: »Jes, ist Garet noch immer im Osten? Auf Patrouille?«
»Ich weiß es nicht«, rief Jestak zurück. »Ach ja, ich habe gehört, Aintre wird ... um die Taille herum mol-lig.«
»Schön.«
»Das habe ich jedenfalls gehört.«
Stel lachte laut, warf seine Flöte in die Dämmerung und fing sie, fast ohne hinzusehen wieder auf. Dann setzte er sie an die Lippen und spielte eine kurze, schnelle Weise. »Sowas soll vorkommen, nehme ich an«, rief er ihnen nach und lachte wieder.
»Er ist kein Spion. Stel?« Der alte Fischer lachte leise über die Frage von Major Zimon, der, die Hände hinter dem Rücken verschlungen, mit finsterem Gesicht und verkniffenem Mund frühmorgens in dem kleinen, hölzernen Bürogebäude am Hafen stand.
»Kannst du denn da so sicher sein? Bist du in solchen Dingen ausgebildet?«
»Wir haben ihn oben am Cwanto gefunden, wo er am Ufer stand. Er sagte, er sei ein Pelbar und wolle nach Baligan, und er fragte, ob wir wüßten, wie er dorthin kommen könnte. Er meinte, er würde sich schon irgendwie hierher durchschlagen. Wollte etwas für seine blinzelnden Augen. Sagte, er hätte zu Hause Schwierigkeiten gehabt. Hat wirklich was geleistet bei uns – die ganze Dreckarbeit, ohne zu klagen. Viel Saubermachen und Trocknen. Netzeflicken. Rümpfe kalfatern. Kein Gejammere, dafür viele Späße. Du wirst ihm doch nichts tun, was, Major? Er ist ein guter Freund von mir. Tut keinem was.«
Major Zimon warf Unterführer Kensing einen schnellen Blick zu. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie so naiv sein sollten«, murmelte er.
Am Morgen darauf mußten Jestak und die Coo im Haus des Gouverneurs lange warten, bis Entat erschien. Jestak schrieb das der üblichen Gewohnheit von Amtspersonen zu, mit der sie zeigen wollten, daß sie beschäftigt und höhergestellt waren. Er machte sich auch einige Gedanken wegen Stel. Daß er ihn gefunden hatte, war ein unvorhergesehener und un-günstiger Umstand. Die Baligani würden sicher miß-
trauisch werden. Und wenn sie herausfanden, wer er war, und von seinem Wissen und seinen Fähigkeiten erfuhren, dann mochte es dem Pelbar-Handwerker übel ergehen.
Endlich erschienen, wie beim letztenmal, zwei Adjutanten und geleiteten Entat herein. Der Gouverneur gab sich gar nicht erst den Anschein, als wolle er zu einer Routinebegrüßung
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