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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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gab ja kein Papier und folglich auch keine Tüten.
    »Soll ick dir det Zeuch nu inne Rocktasche kippen?«
    »Können Sie mir nicht irgend etwas leihen?«
    »Wat gloobste denn, wie oft ich det schon jemacht habe. Und nie kriege ick den Krempel wieda. Aber ick will mal nich so sein.«
    Damit tauchte er unter den Tresen und kam mit einem zerbeulten Henkeltöpfchen aus Blech wieder zum Vorschein, das er auf die Waage stellte. »Wiecht jenau 83 Jramm. Wenn nu die 125 Jramm Kaffee-Ersatz rinkommen, muß det zusammen 208 Jramm erjeben. Haste mitjerechnet?« Herr Guber füllte das krümelige Zeug in den Blechtopf und händigte ihn mir aus. »Nu laß det aber nich fallen, vor die nächste Dekade jibt’s nischt mehr. Und verjiß nich, den Topp wieder mitzubringen!«
    Bei meinem nächsten Einkauf ging es weit weniger gemütlich zu. Das war am Dekadenanfang, und als ich mich mit Winnetou Band II und einer Thermosflasche voll sehr verdünntem Himbeersaft auf den Weg machte, war es kurz vor acht. Wir hatten in dieser Woche mittags Schule, aber trotzdem hatte mich Tante Else rigoros aus dem Bett gescheucht. »Nun komm schon, Krümel, stell dich an, um zehn löse ich dich ab.«
    Die Schlange war mindestens sechzig Meter lang, als ich mich hinten einreihte, die Ladentür noch geschlossen. Ganz vorne machte sich bereits Empörung breit. Schließlich erschien Herr Guber in einem frischgestärkten weißen Kittel, winkte jovial und ließ die ersten fünfzehn Personen eintreten. Die Schlange rückte sechs Meter auf. Trotzdem wurde sie nicht kürzer, sondern wuchs wie ein Regenwurm immer wieder nach. Ziemlich weit vorn entdeckte ich Frau Bennich. Die mußte ja schon mit den Hühnern aufgestanden sein, um einen so exponierten Platz zu haben. In einer Stunde würde sie bestimmt schon dran sein. Frieda Seifert hatte einen guten Mittelplatz. Neben ihr stand Maugi und übte Gummiziehen. Und dann kam mit hängender Zunge Lothchen angetrabt. Der Ärmste hatte sogar ein Einkaufsnetz mit, halb gefüllt mit leeren Tüten und Stoffsäckchen, was bedeutete, daß er gar nicht abgelöst wurde, sondern bis zum Ende hier ausharren mußte. »Meine Mutter hat sich den Fuß verstaucht, die kann nicht auftreten, und Hartmut steht bei Lehmann an.« Lehmann war der Fleischer, bei dem hatte Omi um sieben Uhr Posten bezogen. Später würde Opi sie ablösen.
    Ich war gerade auf Seite 71, wo Old Shatterhand seinen Blutsbruder mal wieder vom Marterpfahl befreit, als Tante Else auftauchte. Sie musterte sachkundig die Schlange, bevor sie den mitgebrachten Klappstuhl aufstellte. Er stammte noch aus der Zeit, als Onkel Paul am Müggelsee seine Angel ausgeworfen und immer darauf gehofft hatte, endlich mal einen Karpfen zu fangen, aber nie etwas anderes mitgebracht hatte als eine unterernährte Schleie.
    »Sag Omi, daß sie um halb zwölf kommen soll, dann werden wir wohl dran sein.«
    Omi paßte das überhaupt nicht. »Um diese Zeit kann ich nicht. Der Karli hat doch keine Ahnung vom Fleisch und läßt sich sonstwas andrehen! Nein, nein, wenn wir bei Lehmanns an der Reihe sind, muß ich schon selber hin. Sag Tante Else, sie soll mir die Sachen mitbringen, und sie soll sehen, ob sie Bandnudeln kriegt. Hier hast du die Säckchen.« Ich bekam einen Stoß Stoffbeutel ausgehändigt, teils mit Blümchenmuster (das war mal Omis Sommerkleid), teils mit Streifen (dafür hatte ein altes Oberhemd von Opi dran glauben müssen). »Für die Marmelade nimmst du die kleine blaue Schüssel mit, sie wiegt 230 Gramm.«
    Tante Else war wenig erbaut, als ich an Omis Stelle zurückkam, beugte sich aber den unvermeidlichen Gegebenheiten. Plötzlich fiel ihr ein, daß sie vergessen hatte, Omi unsere Fleischmarken mitzugeben. Ich spurtete nochmals nach Hause, suchte die Marken, fand sie auf dem Stromzähler, hetzte hinter Omi her, die schon fast am Bahnhof war, trabte zurück zu Tante Else und kam gerade rechtzeitig zu den Verkaufsverhandlungen.
    Herr Guber hatte sich der Karten bemächtigt und rechnete. »Also für Familie Jäger is ja allet klar, da jibt’s zweehundertfuffzig Jramm Zucker. Wiech det mal ab, Annejret!« Annegret war Frau Guber, die an den Großkampftagen Handlangerdienste verrichtete. »Familie Helmchen hat eenmal Anjestellten und eenmal Kinder unter fuffzehn, macht vierhundert Jramm Zucker. Ha’m Se Tüten?«
    Herr Guber legte die Beutel nacheinander auf die Waage und konstatierte befriedigt: »Sind immer dreißig Jramm, det kann man sich wenigstens merken. So, und nu

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