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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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übersättigt sei, aber von dem Stoff war er begeistert.
    »Den behalte ich selber, diese Qualität kann man zur Zeit beim besten Willen nicht auftreiben. Können Sie noch mehr davon besorgen? Über den Preis werden wir uns bestimmt einig.«
    Mami räumte die Möglichkeit weiterer Lieferungen ein, und Herr Knappstein zeigte sich in Erwartung künftiger Geschäftsbeziehungen äußerst großzügig. Wir hatten zu Weihnachten einen Braten im Herd, wenn auch einen bescheidenen, und ab Neujahr kein Gas mehr, weil uns nach dieser Brat-Orgie für vier Wochen der Hahn zugedreht wurde, wir hatten Mehl, Zucker, Fett und drei Eier für einen Kuchen; wir hatten zwei Flaschen Wein, Bohnenkaffee, Ölsardinen, ein Stück Salami und Büchsenmilch, aus der Omi Schlagsahne zauberte. Bei der Gelegenheit lernte ich, daß geschlagene Kondensmilch wie verbrannter Gummi schmeckt. Wir hatten angefrorene Kartoffeln, zwei Dosen Corned beef, ein amerikanisches Weißbrot und selbstgemachte Marzipankartoffeln nach einem in der Zeitung veröffentlichten Rezept: 1 Tasse Weizengrieß, 1 Tasse Zucker, 1 Tasse Wasser, 1 geriebene Pellkartoffel und Bittermandelaroma nach Belieben (zur Nachahmung nicht unbedingt empfehlenswert!). Wir hatten ein Pfund Walnüsse, die offenbar noch aus der vorjährigen Ernte stammten und größtenteils taub waren. Und wir hatten eine zwar verräucherte, aber warme Wohnung.
    Außerdem brachte Mami mir eine Tüte Popcorn mit, ein Gruß von Herrn Knappstein an die ›kleine Tochter‹. Gesehen hatte ich das Zeug schon öfter, allerdings immer nur aus der Ferne, wenn die Amis ins Kino gingen und sich vorher eine Knistertüte voll Popcorn kauften. Von weitem sah es aus wie Seifenschaum, von nahem wie aufgeblasene deformierte Engerlinge. Ein Mädchen aus der Nachbarschaft, deren Mutter intensive Beziehungen zu einem Amerikaner pflegte, hatte mir mal erzählt, daß Popcorn aus gerösteten Maiskörnern besteht. Mais kannte ich nur in Form von Maisgrieß und Maismehl, und beides hing mir inzwischen zum Halse heraus. So war ich auch nicht weiter überrascht, als das Popcorn zwar leicht süßlich, ansonsten aber wie aufgeweichte Wellpappe schmeckte. Später habe ich dann auch ganz frisch geröstetes probiert, und das war prima!
    Kein Weihnachtsfest ohne Geschenke! Ich hatte mein Taschengeld gespart – nicht aus Opferbereitschaft, sondern mehr aus Mangel an Konsumgütern – und beglückte die gesamte Familie mit Kunstgewerbe. Opi bekam hölzerne Buchstützen in Form von Löwenköpfen, die ebenso auffällig wie geschmacklos waren; Omi einen mit Bast umwickelten Blumentopf zum Aufhängen, aus dem immer das Wasser herauslief; Tante Else ein kleines Kästchen, mit bunten Perlen verziert, in dem sie künftig Fingerhüte und Nähnadeln aufbewahren wollte (nachher steckten sie aber doch wieder in dem alten Sofakissen), und für Onkel Paul hatte ich einen Schlips erstanden – mit einer handgemalten Palme drauf. Mami bekam einen dreiarmigen, himmelblauen Blumenständer, den sie pflichtgemäß wunderschön fand und unter heldenhafter Mißachtung ihres ausgeprägten Stilgefühls auch tatsächlich im Wohnzimmer aufstellte. Wo sie den silbernen Siegelring mit eingeprägtem Monogramm und das Bettelarmband für mich aufgetrieben hatte, weiß ich nicht, aber ich vermißte schon seit längerem ihre drei silbernen Armreifen. Angeblich waren sie verlorengegangen.
    Auch der Berliner Senat schenkte uns etwas zu Weihnachten! Eine Sonderzuteilung Strom – sinnigerweise morgens zwischen zwei und vier Uhr. Nicht nur bei uns schrillte zu nächtlicher Stunde der Wecker. In fast allen Wohnungen flammten die Lichter auf, während müde Hausfrauen sich frierend in Bademäntel wickelten, um Wäsche zu bügeln oder auf einer elektrischen Kochplatte das Festmahl vorzukochen. Staubsauger röhrten, Mami wusch sich das Haar, weil sie sie jetzt endlich mal mit Tante Kätes Fön in Ruhe trocknen konnte. Und sogar bei dem neuen Friseur schräg gegenüber brannte Licht im Laden. Vielleicht bekam jemand die schon seit langem vorbestellte Dauerwelle. Punkt vier Uhr versank Berlin wieder in Dunkelheit.
    »Ich habe die Kartoffeln schon in die Kochkiste gestellt«, sagte Tante Else, bevor sie in ihr Bett zurückkroch. »Bis zum Mittag werden sie wahrscheinlich butterweich sein, aber dann essen wir eben Quetschkartoffeln!«
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    »Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte… « So beginnt ein Gedicht von Eduard Mörike, das wir auswendig lernen mußten

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