Pellkartoffeln und Popcorn
wurde ›Hausgebackenes‹ vorbereitet. Diese Nachmittage fanden grundsätzlich ›mit Schleppe‹ statt, was im Klartext hieß, daß sie erst in den späten Abendstunden endeten und auch eine abendliche Bewirtung forderten.
Omi rührte also riesige Mengen Kartoffelsalat an, stellte Griebenschmalz her, für dessen Qualität sie gerühmt wurde, und das sie mit mehr Begeisterung als Kunstverständnis mit Lorbeerblättern und Pfefferkörnern verzierte. Sie schnitzelte Kohlköpfe für Rohkostsalate und wartete händeringend auf Tante Lottis Paket, in dem die versprochenen Würstchen sein sollten.
Das Backen war jedesmal Anlaß zu lauten Klagen:
»Also, ich weiß wirklich nicht, wie ich das diesmal schaffen soll. Jetzt habe ich mir schon aus der Zeitung das Rezept für die künstliche Marzipantorte herausgeschnitten, aber Zucker braucht man dazu doch.«
»Nimm Süßstoff«, sagte Mami.
»Nein, Reni, das geht nun wirklich nicht. Dann schmeckt der Kuchen ja nur noch nach Aroma. Bei Frau Humbert haben wir das letzte Mal sogar richtige Buttercremetorte bekommen.«
»Wundert dich das? Die hat doch seit jeher ihre geheimen Quellen.«
Endlich war der große Tag da! Gleich nach dem Mittagessen – es gab immer aufgewärmten Eintopf, weil der die laufenden Vorbereitungen am wenigsten störte – kam die Kaffeetafel dran. Dabei mußte ich helfen. »Du kannst schon mal den Tisch ausziehen und von Frau Molden die Stühle holen.« Unsere eigenen reichten natürlich nicht, und so wurden Moldens grüne mit unseren hellbraun gepolsterten abwechselnd um die Tafel gruppiert. Dann mußte ich noch das große Damasttuch halten, während Omi schnell die Knickfalten rausbügelte. Übrigens war es das einzige Wäschestück, das regelmäßig in die Wäscherei kam.
»So, und nun gib mal die Bänder her!«
Das Emblem des Königin-Luise-Bundes war eine Kornblume, und die Vereinsfarben waren blau und weiß. Bedauerlicherweise war Omi mit ihren Kränzchennachmittagen aber immer dann an der Reihe, wenn draußen Krokusse und Schneeglöckchen blühten statt Kornblumen, und so hatte sie eine andere Möglichkeit gefunden, die gewünschte Farbe ins Spiel zu bringen. Meterlange blaue Seidenbänder wurden längs und quer über den Tisch gelegt, so daß jedes Gedeck abgeteilt war, was über den dekorativen Effekt hinaus auch noch Omis Ordnungssinn befriedigte.
Nach einer letzten Inspektion der Kaffeetafel verschwand sie, um sich in Gala zu werfen, worunter meist ein dunkelblaues Seidenkleid mit Spitzenkragen zu verstehen war. Anschließend kam die Frisur dran. Auf der niedriggedrehten Gasflamme lag bereits die Brennschere, und dann trabte Omi ein Dutzendmal zwischen Küche und Diele – da hing der große Spiegel – hin und her, und ondulierte ihre Haarpracht. Nach kurzer Zeit roch es immer leicht versengt.
»Ich will auch Locken haben«, begehrte ich, »genauso welche wie Mümmchen.«
»Die hat von Natur aus wellige Haare«, sagte Omi.
»Dann kannst du mir doch mal welche reinbrennen.«
Omi ließ sich erweichen, aber das Ergebnis muß wohl nicht sehr befriedigend gewesen sein, jedenfalls bearbeitete sie das Gekräuselte sofort mit einem nassen Kamm und band mir eine neue Haarschleife ein.
Um halb vier wurde der Kaffee aufgebrüht. Dann kam die riesige bauchige Kanne zum Warmhalten in einen Topf mit heißem Wasser, und Omi bezog Posten am Küchenfenster. Die erwarteten Damen reisten überwiegend mit der U-Bahn an und konnten schon zweihundert Meter vor ihrem Eintreffen erspäht werden. Sobald Omi die Spitzengruppe sichtete, stellte sie die Sahne auf den Tisch, die mit der unter diesem Namen bekannten kalorienreichen Köstlichkeit bestenfalls noch die Farbe gemein hatte und aus Chemie bestand, zählte schnell noch einmal die Kleiderbügel in der Garderobe nach, ob sie auch reichen würden, und öffnete erwartungsvoll die Wohnungstür.
»Wie schön, Frau Puttkamer, daß Sie nun doch kommen konnten«, (sie kam immer!) oder »ach nein, Frau Malewski, wo haben Sie nur diese entzückende Hyazinthe her?« (dabei brachte sie niemals andere Blumen mit) und »ich muß schon sagen, Frau Kaiser, Sie werden von Mal zu Mal jünger!« (Fand ich nicht.)
Ich schüttelte Hände, knickste, ließ mir übers Haar streichen, holte Blumenvasen, knickste wieder, weil mir irgend jemand eine Tafel Schokolade in die Hand gedrückt hatte, nahm Hüte in Empfang, hob heruntergefallene Handtaschen auf, sagte »danke gut« und »keine Ursache« – und fand alles einfach
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