Pellkartoffeln und Popcorn
Ziegelsteine aus den Ruinen klauben soll, dann muß ich ehrlich zugeben, daß ich dazu weder Lust noch die nötige Konstitution habe. Ich bewundere diese Frauen zwar rückhaltlos, aber es muß doch auch noch andere Arbeitsmöglichkeiten geben.«
Die gab es allerdings, und zwar bei den Amerikanern. Täglich kamen Frauen und Kinder aus den Staaten, bezogen die beschlagnahmten Häuser und belebten das Straßenbild mit ihren farbenfreudigen Kleidern, die oft nicht sehr geschmackvoll, aber immer sehr bunt waren. Omi kritisierte vor allem die Unsitte der Amerikanerinnen, mit einer Zigarette in der Hand und Lockenwicklern auf dem Kopf zum Einkaufen zu gehen. »So etwas würde keine deutsche Frau tun! Ich finde es auch sehr unschön, daß diese zweifelhaften Manieren sogar schon bei uns eingeführt werden. Neulich habe ich doch tatsächlich ein junges Mädchen in der U- Bahn rauchen sehen! Natürlich wußte ich gleich, wen ich da vor mir habe, aber empörend ist es trotzdem!«
Noch viel größer war ihre Empörung, als sie Mamis Zukunftspläne erfuhr. »Du willst als Hausmädchen arbeiten? Das ist doch wohl ein schlechter Witz! Haben wir dich aufs Lyzeum geschickt, damit du jetzt für diese gummikauenden Angeber den Dreck wegräumst?«
»Sollen wir lieber standesgemäß verhungern? Immerhin habe ich es deinem vorausschauenden Bildungseifer zu verdanken, daß ich englisch spreche, und das ist im Augenblick nützlicher als meine damalige Banklehre.«
»Wenn du nun wenigstens in einem Büro arbeiten würdest… «
»Dazu muß ich erst diesen Bandwurm von Fragebogen ausfüllen und pfundweise irgendwelche Beglaubigungen beibringen. Das dauert mir zu lange. Als Hausmädchen kann ich aber von einem Tag zum anderen anfangen.«
Die Amerikaner waren dank ihres unerschöpflichen Zigarettenreichtums ungekrönte Könige und kosteten diesen Status bis zum Letzten aus. Jede amerikanische Familie beschäftigte ihre ›housemaid‹, manche sogar zwei. Der Lohn wurde in deutschem Geld bezahlt und bedeutete für die Arbeitgeber nicht mehr als ein paar Päckchen Zigaretten, die ihnen von deutschen Schwarzhändlern förmlich aus der Hand gerissen wurden. Offiziell war dieser illegale Verkauf natürlich verboten, aber niemand hielt sich daran. Auch Amerikaner sind nur Menschen!
Mami meldete sich also bei der zuständigen Dienststelle und erhielt die Weisung, sich am kommenden Morgen um acht Uhr bei Sergeant Conners einzufinden. Der wohne Am Fischtal Nr. 17, und hier sei der Ausweis, mit dem sie die Off-limits-Sperre passieren könnte.
Tante Else schüttelte zweifelnd ihr ergrautes Haupt.
»Wenn das nur gutgeht. Du hast doch selbst keine Ahnung vom Haushalt, und wenn du an so einen personifizierten Scheuerteufel gerätst, wie ihn Malchen verkörpert, fliegst du nach drei Tagen wieder raus. Kochen kannst du außer Bratkartoffeln auch nichts, und selbst die läßt du immer anbrennen!«
»Du glaubst doch wohl selbst nicht, daß die Amis Bratkartoffeln überhaupt kennen? Sie ernähren sich von Konserven, und ihre Essensvorbereitungen erschöpfen sich vermutlich im Öffnen von Blechdosen. Die brauchen keine Köchin, allenfalls einen Techniker!«
Trotzdem geriet Mamis Optimismus etwas ins Wanken, als sie pünktlich um acht Uhr vor dem Reihenhaus stand. Nach dem fünften Klingelzeichen wurde schließlich die Tür geöffnet. Eine etwas verschlafene, sehr jugendliche Dame im rosa Morgenrock musterte kritisch die Besucherin. »You are … sein Sie …« – emsiges Blättern im mitgebrachten Wörterbuch – »Hausmädschen?«
»Yes, I am Mrs. Helmberg and you are Mrs. Conners, I suppose?«
Die rosagewandete Dame steckte sichtlich erfreut ihr Wörterbuch in die Morgenrocktasche zurück. »Okay, call me Frances. What is your given name?« – »Irene«. – »Oh, you mean Ireen? I like this name. Okay, Ireen, there is the kitchen. Let’s have a little breakfast. Do you like bacon and eggs?«
So begann Mamis erster Arbeitstag erwartungsgemäß in der Küche, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Frances briet Eier und Speck, kochte Kaffee und bekundete äußerstes Mißfallen an der in Deutschland weitverbreiteten Sitte, schon im Morgengrauen eine völlig unzeitgemäße Aktivität zu entwickeln. Ihre Nachbarin habe eine Haushaltshilfe, die bereits fünf Minuten nach acht Uhr mit dem Staubsauger herumfahre und kein Verständnis für ihre schlafbedürftige Brötchengeberin aufbringe. Überhaupt sei es besser, wenn Ireen erst um halb zehn
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