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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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käme.
    Mami stellte schnell fest, daß ihre Chefin noch viel weniger Ahnung vom Haushalt hatte als ihr neues Dienstmädchen, und so gestaltete sich das Arbeitsverhältnis recht erfreulich. Frances, im heimatlichen Pasadena Serviererin in einer Fernfahrerkneipe, fühlte sich ihrer selbstsicheren Angestellten in jeder Hinsicht unterlegen und fand alles okay, was Mami tat oder nicht tat. Meistens tat sie nichts. Ein bißchen Geschirrspülen, ein bißchen aufräumen, ein bißchen staubsaugen – letzteres mehrmals am Tag, weil Frances die Benutzung von Aschenbechern ablehnte und die Zigarettenasche immer dort auf den Boden fallen ließ, wo sie gerade saß oder stand –, und wenn man durch die geschlossenen Scheiben nicht einmal mehr das Außenthermometer erkennen konnte, putzte Mami auch mal die Fenster. Um die Vorgärten kümmerten sich deutsche Gärtner (um die rückwärtigen kümmerte sich niemand), die Wäsche kam in die Wäscherei, und was über das Annähen eines Hemdenknopfes hinausging, kam zu Tante Else. Frances fand das völlig in Ordnung. Schließlich kann man von jemandem, der englisch spricht, jahrelang in einer Bank gearbeitet hat und sogar ein Jahr lang in Frankreich war, nicht erwarten, daß er auch noch aufgeplatzte Nähte repariert. Selbstverständlich würde Tante Else bezahlt werden. Wenn sie zum Beispiel diesen Rock etwas kürzt, ob dann wohl zwei Päckchen Zigaretten ein angemessener Lohn sei? Oder vielleicht doch lieber drei?
    Kochen lernte Mami aber auch hier nicht. Sergeant Conners (»call me Howard!«) aß mittags im Office und abends außerhalb, vermutlich aus sehr triftigen Gründen. Hatte sich sein Weib nämlich doch einmal an den Herd gestellt, dann sah die Küche am nächsten Morgen wie ein Schlachtfeld aus, und Mami scheuerte angebrannte Töpfe sauber und beförderte ein gutes Dutzend leere Dosen und diverse zerschlagene Teller in die Mülltonne. Mittags wurde nicht gekocht. Zweimal essen macht dick, und da Frances sich sowieso hauptsächlich von Zigaretten, Popcorn und Gin tonic ernährte, überließ sie es Mami, wann und wie sie das ihr vertraglich zustehende Mittagessen einnahm. Es waren ja genügend Vorräte da, wenn auch meist in konservierter Form. Also erster Gang: Spargelsuppe (aus der Dose), zweiter Gang: Kaltes Huhn (aus der Dose), dritter Gang: Kaffee und Bourbon, letzteren aus der Flasche.
    Einmal äußerte Frances den Wunsch, »little Evelyn« kennenzulernen, und weil ich ja zum Eintritt nicht ›befugt‹ war, holte sie mich sogar am Eingang des Sperrbezirks ab. Die Unterhaltung war aber sehr einseitig, denn aus unerforschlichen Gründen erwartete sie von mir ein ähnlich flüssiges Englisch, wie meine Mutter es beherrschte, und so überschüttete sie mich mit einem Wortschwall, von dem ich auch nicht eine Silbe verstand. Ich hätte mich bestenfalls über das Inventar eines Klassenzimmers oder den Inhalt meines Kleiderschrankes unterhalten können – mit diesen Vokabeln hatte vor anderthalb Jahren mein Englischunterricht begonnen – aber was sie da in breitestem Amerikanisch herauskaute, hatte ich noch nie gehört. Frances verlor auch bald das Interesse an mir und schob mich zu Mami in die Küche mit der Aufforderung, mich abzufüttern.
    Nun hatte meine Mutter schon des öfteren Kostproben diverser PX-Artikel mitgebracht, denn Frances zeigte sich in dieser Hinsicht großzügig und stopfte ihr manchmal gleich ein paar Konservendosen in die vorsichtshalber mitgebrachte Tasche, aber als ich jetzt meine Wünsche äußern sollte, war ich ratlos.
    »Willst du lieber ein Steak oder ein Huhn?«
    »Was is’n Steak?«
    »So etwas Ähnliches wie Schnitzel, nur anders.«
    Anders kannte ich nicht, also lieber Huhn.
    »Und zuerst vielleicht eine Schildkrötensuppe? Eine Büchse Tomatensuppe ist auch auch noch da.«
    Schildkröten gab es im Zoo, und da sahen sie eigentlich gar nicht eßbar aus. Von Tomatensuppe wußte ich wenigstens, wie sie schmeckte.
    »Und wie wär’s mit Schokoladentorte zum Nachtisch? Du kannst aber auch Dosenpfirsiche haben oder Eiscreme. Die haben sogar das in Büchsen!«
    Ich streikte schon beim Huhn. Niemals wieder habe ich das geringe Fassungsvermögen meines Magens mehr bedauert als an jenem Tag. Aber ich brachte beim besten Willen nichts mehr herunter. Außerdem mußte ich auch noch die sechs Flaschen Coca-Cola bewältigen, die Frances extra meinetwegen gekauft hatte. Sie selbst zog härtere Getränke vor.
    Bevor die Amerikaner sich in Zehlendorf häuslich

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