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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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niederließen, verband ich mit dem Begriff USA die Vorstellung von Dollarmillionären, Cowboys und Coca-Cola. Bisher hatte ich noch nichts davon kennengelernt, aber am neugierigsten war ich sowieso auf dieses geheimnisvolle Coca-Cola. Meine Enttäuschung war riesengroß! Das Zeug schmeckte nach Mottenkugeln, und ich finde, so schmeckt es heute noch!
    (Die Bekanntschaft mit dem Dollarmillionär und mit dem Cowboy steht immer noch aus, aber wahrscheinlich wäre ich genauso enttäuscht!).
    Ich sollte bis fünf Uhr dableiben und zusammen mit Mami nach Hause gehen. Dann würde auch Howard gekommen sein, der mich ebenfalls kennenlernen wollte und mich dann auch aus dem Getto herausbringen würde, denn Frances haßte unnötige Spaziergänge.
    Howard war ein netter Kerl mit der Figur eines Möbelpackers, Bürstenhaarschnitt und einer Baßstimme, die schon an der Haustür röhrte: »Hi, Ireen, where is your little girl?« Das kleine Mädchen schwebte plötzlich unter der Decke, hochgestemmt von zwei behaarten Armen, dann stand ich auf dem Rauchtisch und wurde gemustert. »She looks funny, doesn’t she?«
    Funny heißt komisch, aber ich fand das alles gar nicht komisch. Howard stellte mich wieder auf den Fußboden, drückte mir ein paar Packungen Kaugummi in die Hand und griff sich eine der vielen herumliegenden Zeitschriften. Die hatte ich auch schon durchgeblättert, begriff aber nicht, weshalb man so etwas überhaupt kaufte. Diese Illustrierten waren fast so dick wie Schulbücher, enthielten aber größtenteils Reklame von Autos, Zigaretten und Coca-Cola. Das waren keine Zeitschriften, das waren Kataloge! Da war mir Frances’ Lektüre schon lieber. Die Texte konnte ich zwar nicht lesen, aber gezeichnete Bilder ergaben manchmal auch ohne schriftliche Erklärungen einen Sinn. Ich fand es nur etwas albern, daß manchen Figuren Blubberblasen aus dem Mund quollen, in denen so sinnige Worte wie ›yeahh‹ oder ›woouuh‹ standen. Manchmal ging das seitenlang so weiter. Da gefiel mir mein Wilhelm-Busch-Album entschieden besser.
    »Nun glaub nur nicht, daß alle Amerikaner so sind wie Frances und Howard«, erklärte mir Mami auf dem Heimweg. »Es gibt in jedem Land solche und solche. Howard zum Beispiel stammt aus einer Arbeiterfamilie, hat noch sechs Geschwister und arbeitet zu Hause als Rohrleger. Eigentlich ist er erst in der Army ein bißchen was geworden. Na, und Frances kommt aus einem winzigen Kaff im Mittelwesten, ist nur ein paar Jahre zur Schule gegangen und kann nicht einmal richtig schreiben. Sie hat’s mir selbst erzählt. Wenn Howards Dienstzeit abgelaufen ist und sie in die Staaten zurückgehen, sind die beiden wieder zwei ganz arme Würstchen, die vermutlich sehnsüchtig an die Zeit in Germany zurückdenken werden.«
    So weit kam es dann gar nicht mehr. Howard lernte ein deutsches Fräulein kennen, das für Chesterfields und Nylons empfänglicher war als Frances (und wahrscheinlich auch besser kochen konnte). Jedenfalls warf die betrogene Ehefrau ihrem Gemahl eines Tages den halben Geschirrbestand an den Kopf, darunter eine Blumenvase mit Inhalt, bevor sie ihre Koffer packte und zurückflog ins heimatliche Pasadena. Howard war zwar nicht abgeneigt, ›dear Ireen‹ als Haushälterin und ›auch sonst‹ zu behalten, aber Mami legte auf ›auch sonst‹ keinen Wert. Da sie eine ähnlich tolerante Arbeitgeberin wie Frances kaum noch einmal finden würde und darüber hinaus dem Hausfrauendasein noch immer keinen Reiz abgewinnen konnte, beschloß sie, das Kapitel ›housemaid‹ zu beenden und es mal wieder mit einer Bürotätigkeit zu versuchen.
22
    Die Amerikaner hatten zwar dafür gesorgt, daß die Lichter wieder brannten; aber sie sorgten auch dafür, daß sie regelmäßig wieder ausgingen. Das nannte man Stromsperre. Zu bestimmten Stunden wurde die gesamte Stromzufuhr radikal abgeschaltet, was tagsüber nicht so schlimm war, denn notfalls kann man ja auch abends Wäsche bügeln. Außerdem bleibt es im Sommer ziemlich lange hell. Bis acht Uhr, wenn der Strom wieder eingeschaltet wurde, konnte man also ohne Zusatzbeleuchtung auskommen.
    Aber dann wurde es Herbst, und dann Winter; der allgemeine Stromverbrauch stieg an, die den Kraftwerken zugeteilte Kohle nahm ab, und bald bekamen wir nur noch stundenweise Strom, etwa von 10 bis 13 Uhr und dann noch mal von 20 bis 22 Uhr. Das variierte von Stadtteil zu Stadtteil. Es konnte durchaus passieren, daß in einer Straße die Lichter brannten, während hundert Meter

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