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Pelte, Reinhard

Pelte, Reinhard

Titel: Pelte, Reinhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inselbeichte
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angesammelt hatte. Genüsslich ließ er seinen Blick über die Förde hinüber auf das von der Wintersonne beschienene, verschneit daliegende Ostufer schweifen. St. Jürgen erhob sich über der Stadt wie eine feste Burg und reckte seinen schlanken, spitzen Turm in den blauen Himmel. Vor Jungs Augen breitete sich ein idyllisches, städtisches Winterpanorama aus. Es zauberte Fantasien hervor, Bilder von ruhigen Spaziergängen entlang eines märchenhaft-winterlichen Fördeufers mit anschließendem, gemütlichem Beisammensein vor einem prasselnden Kaminfeuer. Sweet home, Alabama, summte Jung vor sich hin. Er verdrängte die bedrückenden Bilder erfrorener Kühe, stecken gebliebener Züge, gekenterter Schiffe, verschütteter Autos und die ausgestandenen Ängste um die, von denen man nicht wusste, ob sie den großen Schnee heil überstanden hatten.
    Jung schloss das Fenster und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er wollte zuerst Immos Sekretärin anrufen. Svenja hatte wirklich eine gute Idee gehabt. Er glaubte sich zu erinnern, dass Immo beiläufig hatte fallen lassen, dass seine Sekretärin schon länger bei ihm arbeitete. Vielleicht hieß länger ja zehn Jahre oder mehr. Dann hatte er gute Aussichten an nützliche Informationen zu kommen. Er beabsichtigte, sie einfach um die Adressen seiner ehemaligen Klassenkameraden zu bitten. Das schien ihm harmlos genug, um Immo erst gar nicht ins Spiel kommen zu lassen. Er nahm den Hörer auf und wählte.
    »Hotel Altes Gym. Beate Schirmer am Apparat. Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«
    »Guten Tag. Mein Name ist Jung. Ich war über Silvester bei dem Klassentreffen«
    »Ah, Herr Jung. Ja, natürlich, frohes neues Jahr. Haben Sie alles gut überstanden? Ich freue mich. Wie geht es Ihnen?«
    Sie klang, als kannten sie sich bereits länger und hätten schon des Öfteren miteinander zu tun gehabt und gute Erfahrungen dabei gemacht. Jung stutzte nur kurz. Ihre Begrüßung schien ihm gute Chancen zu eröffnen, in seinen Bemühungen weiterzukommen.
    »Oh ja, alles bestens. Besser als bei Ihnen hätte ich die schlimmen Tage gar nicht überstehen können«, schmeichelte er ihr.
    »Ja, der Chef ist schon ein richtig guter. Er beherrscht seine Arbeit aus dem Effeff und bringt seine Gäste auch durch solche Katastrophen. Aber was kann ich für Sie tun?«
    »Oh, nur eine Kleinigkeit. Ich interessiere mich für die Adressen von ein paar meiner Kameraden.« Es entstand eine kurze Pause.
    »War das nicht eine bezaubernde Idee von meinem Chef?«, sprudelte sie drauflos. »Sie alle wieder vereint nach so langer Zeit. Sie hatten sich sicherlich viel zu erzählen? Ein wunderbarer Einfall. Ich habe ihm so gerne dabei geholfen.«
    »Gute Arbeit, mein Kompliment.« Jung bemühte sich, sie bei Laune zu halten und ins Plaudern zu bringen.
    »Ach, halb so schlimm. Heutzutage gibt es ja das Internet. Im Übrigen kannte ich auch schon einige wenige von ihnen aus meinen langen Jahren hier im Hause. Genau genommen waren es nur zwei, aber immerhin.«
    »Ach ja? Sind Sie schon von Anfang an die gute Seele des Hauses?«, schmeichelte ihr Jung weiter.
    »Ich muss zugeben, das stimmt nicht ganz. Ich kam vor zwölf Jahren. Aber ich bin stolz darauf, die dienstälteste Mitarbeiterin im Hause zu sein«, antwortete sie verlegen.
    Jung frohlockte über die Aussicht, von ihr mehr zu hören, als zu erwarten gewesen war.
    »Meinen Glückwunsch und mein Kompliment. Und Sie erinnern sich an einige von uns schlimmen Jungs? Hoffentlich haben Sie sich nicht erschrocken«, schleimte er sich bei ihr ein.
    »Aber Herr Jung, ich bitte Sie«, lachte sie in den Hörer. »Die beiden, die ich kennenlernen durfte, waren distinguierte Herren im besten Alter.«
    »Schade, dass ich die nie kennengelernt habe«, scherzte Jung. »Ich kann gar nicht glauben, dass es welche von uns gewesen sein sollen.« Sein Lachen steckte sie an und entlockte ihr ein hohes, aufgedrehtes Kichern.
    »Oh ja, ich erinnere mich noch sehr genau an die Herren«, fuhr sie fort. »Vor allem an den einen. Ein ganz bezaubernder Mann. Er war so hinreißend, so nett und aufmerksam, wirklich ganz reizend.«
    »War das tatsächlich einer von uns? Helfen Sie mir, wer war es?«, schleimte Jung unbeirrt weiter.
    »Das muss bitte unter uns bleiben, Herr Jung. Versprechen Sie mir das?«, fragte sie gedämpft und mit einem verschwörerischen Unterton in der Stimme. Jung registrierte erfreut, dass ihr Gespräch sich zu einem intimen Plausch unter Kaffeetanten entwickelte. Was

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