Pelte, Reinhard
schlecht geträumt: Tony Soprano hatte auf seine spezielle Art die Hochzeit zweier schwuler Bimbos auf Grönland platzen lassen. Er träumte lauter so absurdes, rassistisches Zeug. Seine Träume hingen ihm in letzter Zeit nach, was früher selten vorgekommen war. Gewöhnlich erinnerte er sich am nächsten Tag nicht mehr an sie, oder er erinnerte sich nur sehr kurz. Er hätte sie sofort aufschreiben müssen, wenn er etwa die Absicht gehabt hätte, sie festzuhalten.
Die Sopranos verfolgten ihn öfter. Jung irritierte das. Er und Svenja liebten die amerikanische Serie. Sie hatten sich alle Staffeln auf DVD gekauft.
Im Kosmos der Sopranos war das Leben zu besichtigen, wie es war, dachte Jung, während sie den Sopranos dabei folgten, wie die selbstauferlegten Regeln sie unablässig überforderten und ihnen Pflichten und Verantwortlichkeiten abforderten, die Menschen sich lieber nicht anmaßen sollten. Das sorgte nur für Unheil, darin war er sich mit Svenja einig. Dafür waren andere Mächte zuständig, die besser konnten, worauf die Sopranos nicht warten wollten.
Für Jung war es kein Wunder, dass The Sopranos hierzulande ein Flop gewesen waren. In ihrer großen Mehrzahl waren Deutsche, seiner Meinung nach, schon immer empfänglicher für Sentimentalitäten und bräsige Pseudoprobleme gewesen, die eher die Wirklichkeit vernebelten als sie beim Namen zu nennen. Das war einfach ihre Art, sich nicht mit ihr auseinandersetzen zu müssen. Schon der Versuch, so glaubte er erkannt zu haben, könnte schmerzlich und unangenehm werden und alle ihre Illusionen zerstören, in erster Linie ihre Illusionen über sich selbst. Denn an denen hingen sie wie ein Junkie an der Spritze. Deutsche, so glaubte er zu wissen, tummelten sich lieber auf Nebenkriegsschauplätzen, wo endlos aneinander vorbeigeredet werden konnte aber nichts wirklich entschieden zu werden brauchte. Schließlich blieb alles so, wie es immer war, stellte Jung resignierend fest: mehr schlecht als recht und vor allem verlogen und lähmend langweilig.
»Ich wollte deine Jacke in die Reinigung geben, Tomi. Dabei fand ich diesen Zettel in deiner Tasche.«
Svenja legte ihm ein gefaltetes Blatt Papier auf das Frühstücks-Set.
»Hey Svenja, schnüffelst du mir nach wie Carmilla Soprano ihrem Tony?« Jung klang angestrengt amüsiert. Künstliche Entrüstung färbte seine Stimme.
Svenja sah ihn einen Moment konzentriert an und erwiderte: »Tony, fick dich doch ins Knie. Ich weiß genau, was du und deine kleinen Wichser treiben, wenn ihr ohne Aufsicht seid.« Svenja deklamierte ihren Text, als wenn sie schon immer Carmilla Soprano gewesen wäre und sonst nichts anderes. »Hat sichs Pussy wieder von der beinamputierten, polnischen Nutte besorgen lassen oder habt ihr die endlich in die Seniorenklappse nach Hoboken {15} abgeschoben?«
»Carm, reg dich doch nicht künstlich auf. Und sei nicht so ordinär. Du bist die Mutter meiner Kinder«, spielte Jung sich auf.
»Schieb dir deine Scheißmutter in deinen Scheißarsch, Tony, und lass die Kinder aus dem Spiel. Sie könnten sich bei deinen miesen, kleinen Schwanzlutschern und Mösenleckern schlechte Manieren abgucken.«
»Was weißt du denn schon von Schwanzlutschern und Mösenleckern, Carm? Oder hattest du am Wochenende etwa Logierbesuch von Pater Ralph?«
Sie konnten ihr Lachen nicht mehr unterdrücken. Svenja musste sich die Hand vor den Mund halten, um nicht Rosinen und Haferflocken auf den Tisch regnen zu lassen. Nachdem sie sich gefangen hatten, sagte Jung aufgeräumt: »Die Herren auf dem Zettel gehören sicherlich nicht zu denen, die Sex mit beinamputierten Polinnen haben. Die heißen nicht Werner, Hansi, Peter oder Uwe.«
»Aber vielleicht Erik, Immo, Udo oder Sönke? Sind ein paar ausgefallene Namen darunter«, bemerkte Svenja amüsiert.
»Was? Wo hast du denn den Namen Udo gelesen?«
»Sieh nach. Er steht ziemlich weit unten.«
Jung nahm den Zettel und studierte eingehend die Namensliste.
»Merkwürdig«, rief er aus. »Hier steht er mit Adresse und Beruf. Er ist Pastor auf Föhr.«
»Wer steht da? Was ist daran merkwürdig?«, fragte Svenja neugierig.
»Udo war nicht auf unserem Treffen. Er war auch nicht eingeladen, weil er angeblich nicht aufzufinden war.«
»Wer hat dir das denn erzählt?«, hakte Svenja nach.
Ihr Interesse war geweckt. Jung berichtete ihr ausführlich über seine Arbeit an dem Fall des verschwundenen Mädchens und über sein berufliches Interesse an Immos Hotel. Schließlich sagte
Weitere Kostenlose Bücher