Pelte, Reinhard
gemacht?«
»Sie überschätzen mich, Frau Driefholt. Was hat er Ihnen erzählt? War er nach so langer Abstinenz nicht etwas benebelt?«
»Ach was. Ganz im Gegenteil. Ich hatte den Eindruck, als sei er noch nie so klar und präsent gewesen.« Sie schwieg.
»Und?«
»Nichts und. Es war einfach nur schön und entspannend.«
Jung beschlich ein Gemenge aus schlechtem Gewissen und Freude. Ihm fiel nichts ein, was er ihr hätte erwidern können.
»Ist er zu sprechen?«
»Aber ja. Ich stelle Sie zu ihm durch. Besuchen Sie uns doch wieder einmal, Herr Jung. Ich würde mich freuen. Bis hoffentlich bald.«
»Bis bald, Frau Driefholt.« Jung kamen die Worte nur zögerlich über die Lippen.
»Harmsen«, meldete sich Udo.
»Hallo, Udo. Hier ist Tomas Jung. Guten Tag.«
»Guten Tag, Tomas. Du hast eine Nachricht für mich?«
»Udo, bevor wir weitersprechen, muss ich dir sagen, dass unser Gespräch aufgezeichnet wird. Wenn du das nicht willst, brechen wir sofort ab.«
»Ist schon in Ordnung, fang an.«
»Als erstes möchte ich dich fragen, ob du seit unserer Unterhaltung mit Immo gesprochen hast?«
»Nein.«
»Er hat sich nicht bei dir gemeldet?«
»Nein.«
»Das ist gut. Du solltest daran auch nichts ändern.« Jung machte eine kurze Pause: »Ich beabsichtige, dich vorzuladen, um dein Geständnis zu Protokoll zu nehmen. Bist du dazu bereit?«
»Ja.«
»Kannst du dich an Details erinnern, die du mir noch nicht erzählt hast? Das wäre wichtig.«
»Ich werde mich bemühen. Das kann ich dir versprechen.«
»Gut. Wenn es soweit ist, werde ich mich bei dir melden.«
»War’s das?«, fragte Udo kurz aber nicht unfreundlich.
»Ja. Ich stelle jetzt den Rekorder ab. Wir sind ab jetzt privat, Udo.«
»Hast du mir noch mehr zu sagen, Tomas?«
»Es fällt mir schwer, weil es mich eigentlich nichts angeht.« Jung unterbrach sich selbst und ließ seine Worte wirken.
»Dann behalte es für dich.«
»Ich sprach vor dir mit Greta Driefholt«, ließ Jung sich nicht aufhalten.
»Und? Ihr hattet einen schönen Abend zusammen, nicht wahr? Sie hat mir davon erzählt«, erwiderte Udo freundlich.
»Udo, du solltest ihr sagen, dass du schwul bist. Sie macht sich Hoffnungen.«
»Wie kommst du darauf?«, rief er bestürzt aus.
»Ich habe meiner Frau von ihr erzählt. Und Frauen wissen, was Frauen bewegt.«
»Aha.« Er machte eine Pause. »Gut zu wissen, Tomas. Wenn ich schon reinen Tisch mache, dann kann ich auch das gleich tun. Okay, danke für den Hinweis.«
»Von meiner Seite war’s das, Udo. Hast du noch etwas?«
»Nein. Ich danke dir für deinen Anruf. Ich höre von dir.«
»Ich melde mich, Udo. Tschüss.«
»Tschüss.«
Das ging glatt, fast zu glatt, dachte Jung. Er war als Kripo-Mann das Gegenteil gewohnt und registrierte jede Abweichung als verdächtig.
*
Am Donnerstagmorgen saß Jung allein beim Frühstück. Seine Frau musste erst nachmittags arbeiten und schlief noch. Er las in der Wochenzeitung die ZEIT. Die Kolumne Harald Martensteins in der Beilage schien ihm die richtige Lektüre zur Vorbereitung auf Immos Vorladung. Martensteins unverstellte Realistik und seinen Humor hätte er gerne gehabt. Er hätte sich dann besser gefühlt. So überfiel ihn nur ein Grauen, wenn er sich den Klang von Immos ›Hallo Jungi, altes Haus‹ in Erinnerung rief.
Die Fahrt in die Stadt verlief entspannt wie fast immer werktags, nach acht Uhr morgens. Eine Wolkendecke hatte sich vor die Sonne geschoben. Es sah aber nicht nach Regen aus. Der Wind war schwach, für Norddeutschland ziemlich ungewöhnlich. Jung stellte sein Auto im Innenhof der Inspektion ab und betrat das Polizeigebäude. Petersen begrüßte ihn aufgeregt am Treppenaufgang.
»Moin, Herr Jung. Sie haben Besuch.«
Jung hatte selten, genau genommen gar keinen Besuch in letzter Zeit gehabt. Die Aufregung war also angebracht.
»Moin Petersen. Kenne ich ihn?«
»Nein. Ist so’n riesiger Kerl mit einer aufgeblasenen Stimme. Hab ich noch nicht hier gesehen.«
»Dann weiß ich schon. Er ist zu früh.«
»Wenn Sie was gesagt hätten, hätte ich ihn hier unten festgehalten«, lachte Petersen.
»Schon gut. Bis nachher, Petersen.«
»Bis später, Herr Oberrat.«
Jung stieg das Treppenhaus hinauf. Vor seinem Büro stand Immo und studierte das Namensschild an der Tür.
»Moin, Immo. Komm rein.«
»Moin, Jung.«
Sie betraten Jungs Arbeitszimmer.
»Kein Wunder, dass du hier depressiv wirst«, sagte Immo.
»Setz dich.«
»Wo?«
»Auf den
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