Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
nicht
ausgeraubt. Nur gelegentlich ermordet.
Linus fiept. Er will mich zu einem Spaziergang zwingen. Aber mir
reicht jetzt der kurze Weg über die Bundesstraße zu meinem heruntergekommenen
Hof auf belgischer Seite. Doch der elende Hund will nicht über die
Bundesstraße. Er springt Richtung Wald. Der letzte Ort, den ich heute noch mal
aufsuchen möchte.
»Komm sofort zurück«, brülle ich das Tier an. Erstaunlicherweise
gehorcht es und lässt sich das Halsband anlegen, ohne das ich nie mit ihm über
die Straße gehen würde. Zum zweiten Mal öffne ich das Gatter neben meinem Haus.
»Ab in den Garten, Dicker«, fordere ich den Hund auf. »Und schlag nur an, wenn
du da irgendwo eine Mopsfledermausforscherin tot oder lebendig herumliegen
siehst.«
Da erst fällt mir ein, dass in diesem Garten noch etwas herumliegt,
für das mich mein Polizistenfreund mit Fug und Recht wieder einbuchten könnte.
Ich fummele nach der Taschenlampe in meiner Handtasche und beleuchte
die Stelle neben meiner Hauswand, wo Hein Müllsack und Drogenpflanze hat fallen
lassen. Beides ist weg. Ich stoße die Tür zum angelehnten Schuppen auf. Dort
hängen nur ein paar Bündel uninteressanter Trockenblumen. Deren Duftstoffe überlagern
allerdings nicht den unverwechselbar penetranten Geruch, der holländische Coffeeshops
auszeichnet und der durch die Ritzen in mein Haus gezogen ist. Wie
unbegreiflich, dass ich ihn nicht schon vorher identifiziert habe! Offenbar bin
ich nicht fähig, durchaus bekannte Sinneseindrücke da zuordnen zu können, wo
ich sie überhaupt nicht erwarte.
Was für ein Tag!
Aber meine Augen haben mich heute Nachmittag nicht getrübt. Es ist
auch kein Sturm aufgekommen, der Pflanze und Müllsack in eine entferntere Eifeler
Pampa hätte wehen können. Zumal Hein bestimmt nicht nur ein einziges Pflänzchen
in meinem Schuppen getrocknet hat; darauf weisen leere Haken und der starke
Geruch jedenfalls hin. Wer also hat das Zeug entfernt? Hein bestimmt nicht; der
ist sofort nach der Nachricht von Mutter Agnes’ Tod zu Jupp in den Wald
gestürzt und danach gleich mit ihm und der Polizei zur Vernehmung nach
Euskirchen gefahren. Kommen also nur Gudrun und Hans-Peter in Betracht.
Ein Bild steigt in mir auf: Lasziv liegen beide auf Heins ehemaligem
Kinderzimmerbett, ziehen sich einen Joint rein und blasen dem im Wäschekorb
neben ihnen plärrenden Baby zur Beruhigung THC-geschwängerten Rauch ins Gesicht.
Nein, so etwas traue ich nicht einmal Hans-Peter zu.
Wer also hat das Gras geklaut?
Mein Interesse an dieser Frage verblasst, als ich am nächsten
Morgen Marcels Stimme am Handy höre.
»Die Euskirchener Kollegen sind schon unterwegs zu dir. Sorg dafür,
dass dein Freund auch da ist.«
Ich wische mir die Nacht aus den Augen, setze mich auf und frage
verschlafen: »Welcher Freund?«
»So viele hast du nun wirklich nicht! Der Berliner natürlich. Ist er
noch da?«
»Weiß nicht, war noch nicht drüben.«
»Dann spute dich und halt ihn fest.«
»Ich denk nicht dran; die Zeiten sind vorbei.«
»Katja, der Mann ist des Mordes verdächtig!«
»Was?!« Jetzt bin ich hellwach.
»Das Blut an dem Bunkerstein stammt tatsächlich von seiner Frau.
Nicht ausgeschlossen, dass er sie umgebracht hat, bevor er so ganz zufällig mit
dem unschuldigen kleinen Kind bei dir aufgekreuzt ist.«
Ich kann überhaupt nichts sagen. Stehe unter Schock.
»Mein Gott, Katja!« Marcels Stimme klingt sehr verärgert. »Warum
muss es bei dir gleich immer so gewalttätig zugehen?«
Klar, schuldig bin immer ich.
Drittes Gericht
Advokatenschmaus
Geräucherte Bachforelle auf Avocadopüree mit Limettensaft
beträufelt und Curry-Puderzucker bestreut, begleitet von kleinen
Mirabellenklößen
Ohne mich mit Waschen oder anderen morgendlichen Ritualen
aufzuhalten, schlüpfe ich rasch in die Klamotten vom Vortag, packe Hund und
Handtasche und schlage meine Haustür zu. Ausnahmsweise schließe ich ab. Keiner
soll ohne mein Wissen aus meinem Haus etwas wegholen oder
gar etwas hineinschmuggeln, das mich ärgern oder im günstigsten Fall in
Erklärungsnot bringen könnte, wie zum Beispiel einen blauen Müllsack voll
getrockneten stinkenden Hanfs. Sogar in meine Träume hat mich das Rätselraten
um die verschwundene verbotene Substanz verfolgt. Seltsam, dass sich diese Angelegenheit
stärker in mein Unterbewusstsein eingegraben hat als viele der wesentlich bedeutenderen
Ereignisse des Vortages.
Nasse Kälte schlägt mir entgegen. Ein grauer Nieselvorhang
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