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Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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schneidet
den ansonsten so grandiosen Weitblick auf die belgischen Ardennenausläufer ab,
was meine Laune nicht gerade hebt. Ich lege dem Hund mit dem hungrigen Blick
das Halsband an, erkläre ihm, dass er sich gefälligst zu gedulden habe; ich
hätte schließlich auch noch nichts zu mir genommen, und Jumbo habe gestern gar
den ganzen Tag gehungert.
    Dann eile ich über die Straße nach Deutschland.
    Noch bevor ich die Tür zu meinem künftigen Restaurant aufstoße,
beleidigen Scheppern, lautes Stimmengewirr, Babygeschrei und Radiomusik meine
noch nicht recht erwachten Ohren. So ungefähr wird es sich wohl auch anhören,
wenn mein Laden endlich brummt. Würde ich mein Restaurant in der Großstadt
eröffnen, müsste ich mich sicherlich auch noch mit den Lärmschutzbestimmungen herumschlagen.
Dieser Gedanke tröstet mich ebenso wenig wie der Anblick, den mir meine Küche
bietet, in der sich viereinhalb Menschen breiter gemacht haben, als sie eigentlich
sind. Jeder scheint auf jeden einzureden und keiner es für nötig zu befinden,
schmutziges Geschirr und Essensreste wegzuräumen, die Drecksspuren auf dem
Küchenboden zu entfernen oder dem schreienden Baby einen Schnuller in den Mund
zu stecken. Stinkender Qualm verpestet die Luft. Ein Qualm, dessen Namen ich
kenne, der vor Jahren durch die Ritzen meines Kleiderschranks gezogen und einer
völlig legalen Droge zu verdanken ist. Early Morning Pipe von Dunhill, Hans-Peters Lieblingstabak.
    Mit dem Hund an meiner Seite verdunkele ich den Zugang und bringe
hustend hervor: »Was ist denn hier los?«
    Hein drückt auf den Radioknopf. Sofort setzt Stille ein. Sogar das
Kind hält die Klappe. Ich höre nur noch, wie Hans-Peter an seiner Pfeife zieht.
Etwas besänftigt, dass mir in meinen beruflichen vier Wänden wenigstens ein
Rest von Autorität geblieben ist, schaue ich fragend in die Runde. Mein Blick
bleibt an Jupp hängen, der rücklings auf einem kleinen Küchenstuhl sitzt und
die Lehne mit beiden Armen umklammert. So, als fiele das ganze Möbel
auseinander, ließe er es los. Was es angesichts seiner Körpermasse vielleicht
auch täte. Mein Gewicht habe ich diesem Stuhl, der mir nur als Ablage dient,
noch nie anvertraut.
    »Gut, dass du wieder da bist«, sage ich. »Was ist in Euskirchen
passiert?«
    Hein blickt von seinem Laptop auf, den er einfach zwischen die
dreckigen Teller und Schüsseln auf den Küchentisch geschoben hat.
    »Sie haben ihm abgeholt, dass sich seine Mutter selbst das Leben
geholt hat«, erwidert er an Jupps Stelle und tippt weiter.
    Nach kurzzeitiger Verwirrung habe ich mir den Eifeler Satz
übersetzt. Mutter Agnes hat sich durch Freitod das Leben geholt. Welch eine Weltanschauung doch diese Mundart entlarvt! Und was für
metaphysische Offenbarungen tun sich in diesem Landstrich auf, in dem Holen
seliger denn Nehmen ist! Was für ein Leben hat sich Jupps Mutter geholt? Wie?
Und wo steckt sie jetzt?
    »Sie ist jetzt frei«, flüstert Jupp, als könnte er Gedanken lesen.
»Sie hat sich da hingebracht, wo sie schon lange hinwollte. Aber sie fehlt mir
so!«
    Ich vermeine, leichtes Knacken zu hören, als der große breite Mann
die Stuhllehne noch fester umarmt. Seine zerbrechliche Mutter hätte er nie so
fest drücken dürfen.
    »Ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz ist es dennoch gewesen«,
erklärt Hans-Peter, der noch keine Ahnung hat, dass er sich eines
möglicherweise gar nicht unähnlichen Verstoßes wegen in wenigen Minuten in
polizeilicher Begleitung auf die gleiche Reise wie Jupp gestern begeben wird.
Ich glaube keine Sekunde daran, dass er seine Frau wirklich umgebracht und weggeschafft
oder unter Eifeler Erde gebracht hat. Auch wenn Marcel das gern gesehen hätte.
Als ich vorhin am Telefon bei ihm nämlich nachhakte, wieso eine Genanalyse denn
so schnell vorliegen könne, musste er zugeben, dass bisher nur die Blutgruppe
übereinstimme und man am Tatort die gleichen »rot gefärbten Haare wie auf einem
Bigoudi im Hotelzimmer« gefunden habe, einem Lockenwickler, übersetzt mir der
Belgier. Dafür könnte es sicher auch weniger dramatische Erklärungen geben. Für
einen Mord ist Hans-Peter viel zu ängstlich und unpraktisch veranlagt.
    Vielleicht hat sich Gaby von Krump-Kellenhusen, die
mopsfledermausforschende Himalajastürmerin, bei der Besichtigung des Bunkers
leicht verletzt, dies aber angesichts eines vermeintlich ausgestorbenen
Exemplars ignoriert, das Tier voll wissenschaftlichen Eifers verfolgt und bis
ins nahe Hohe Venn gejagt.

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