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Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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schien ihr die Natur nach und nach alle
Sinne abgeschaltet zu haben. Immer wenn es so aussah, als würde der von der
Zeit geschundene Körper endlich in Frieden ruhen können, blitzte die Funktion
eines Sinnesorgans plötzlich wieder auf, nur um danach wieder ausgeknipst zu
werden. Ein grausames Spiel der Natur. Dem Mutter Agnes in einem dieser
winzigen Zeitfenster der Klarheit mit den Mitteln der Natur beizukommen
versucht hat.
    Am 30-km-Schild vor der Schule in Manderfeld drosselt Marcel
tatsächlich das Tempo. »Man hat Stücke des Samens in ihrem Gebiss gefunden,
aber vielleicht hat das Zeug furchtbar geschmeckt, vielleicht fehlte ihr die
Kraft zum gründlichen Kauen, jedenfalls muss sie den großen Teil wieder
erbrochen haben; deshalb hat sie dann die Nadeln geholt. Viele kleine Stücke
abgebissen und runtergewürgt. Das muss ein riesiger Kraftaufwand für die arme
Frau gewesen sein! Und es war ein schmerzlicher Tod; der Kampf hat mindestens
eine Stunde gedauert, so steht das ganz nüchtern in dem Bericht.«
    Er gibt wieder Gas.
    »Das kann nicht stimmen«, sage ich aufgeregt. »Sie hat nichts
erbrochen, war ganz sauber, als wir sie fanden, so friedlich und irgendwie …
glücklich. Das hast du selbst doch auch gesehen.«
    »Irgendjemand muss sie gleich nach dem Sterben so hergerichtet
haben. Wahrscheinlich Jupp. Aber den Euskirchener Kollegen gegenüber hat er es
vehement abgestritten.«
    »Dann wird er es auch nicht getan haben.«
    »Ach, Katja, kein Eifeler lässt seine im Sterben liegende Mutter
allein! Er wird sich hinter einem Baum versteckt und gewartet haben, bis sie
tot war.«
    In der scharfen Linkskurve am Manderfelder Kriegerdenkmal zurrt sich
der Sitzgurt fest und schneidet schmerzlich in mein Fleisch.
    »Pass doch auf! Du fährst wie ein Henker!«, sage ich, erstarre dann.
Was für ein Sprachbild ist mir da über die Lippen gekommen? Wieso sollte es ein
Henker, also jemand, der einen anderen ins Jenseits befördern wird, damit so
eilig haben? Damit der Schmerz schnell vorbei ist? Meine Güte, Jupp, hast du
vielleicht doch nachgeholfen, weil sich deine Mutter so gequält hat? Warst du
der Henker deiner Mutter?
    »Als Todesursache steht das Eibengift eindeutig fest?«, frage ich
ängstlich.
    »Das Taxin. Ja.«
    Ich atme erleichtert aus.
    »Dann hat sich Jupp ganz sicher nicht hinter einem Baum versteckt.
Er hätte es nie ertragen, seine Mutter so leiden zu sehen.«
    »Da ist was dran«, bemerkt Marcel nachdenklich und biegt in die
kleine baumgesäumte Straße rechts ein, die nach Krewinkel ins Tal führt.
    Das Tor, das Herrn Eichhorn wohl zum Verhängnis wurde, ist inzwischen
gänzlich abgerissen worden. Die Bretter liegen nachlässig aufeinandergeworfen
seitlich der Einfahrt und erinnern mit ihrer kruden Malerei an die ausgedienten
Kulissen einer Schüleraufführung.
    Wir parken an der Straße. Nachdem Marcel einen Ordner aus dem Wagen
genommen hat, gehen wir an den Beeten vorbei zum Hauseingang. Hier gibt es
keine Klingel, kein Namensschild und natürlich kein Märchenschlossfenster.
Marcel lässt einen Messingklopfer in Form eines satanischen Kopfes ein paarmal
gegen die Eichentür donnern.
    Zu meiner Überraschung öffnet Victor höchstpersönlich.
    Sein Blick geht vom uniformierten Polizisten zu mir und wieder zu
Marcel zurück.
    »Ja bitte?«, fragt er ungehalten, so, als hätte er uns nie zuvor
gesehen.
    »Ich muss mit Ihnen reden, Herr Müller«, erklärt Marcel und
schüttelt den Ordner. Erst zieht Victor die Augenbrauen hoch, dann hält er uns
die Tür auf. Mich ignoriert er völlig. Ich komme mir wie ein Geist vor.
    »Ich hoffe, Sie bringen nicht wieder alles durcheinander wie beim
letzten Mal«, sagt er, als er an den Buddhastatuen vorbei in den
Meditationsraum vorangeht und uns beiden je ein Kissen zum Sitzen anweist.
Jetzt hebe ich die Augenbrauen. Ich bin wirklich nicht diejenige, die dauernd
etwas verschweigt. Das ist Marcel. Wieso hat er mir nicht erzählt, dass er die
Sekte kennt?
    Während ich auf das Kissen plumpse und mühsam ein Gleichgewicht zu
finden suche, lässt sich Marcel im Lotussitz nieder, was elegant, aber auch
sehr merkwürdig aussieht. Er legt die Akte vor sich auf den Fußboden.
    »Tut mir leid, dass ich Ihnen damals Schwierigkeiten gemacht habe,
aber ich musste den Hinweisen nachgehen; das verstehen Sie doch?«
    »Ich verstehe nur, dass wir zu Unrecht denunziert worden sind«, gibt
Victor Müller zurück. »Sie haben keine Drogen
gefunden, und Sie werden auch keine

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