Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
auf das
Tablett eines alten hölzernen Beistellwagens, und dann erst suche ich die
Kleidungsstücke zusammen, mit denen ich gestern hergekommen bin und die quer
durch die Wohnung verteilt herumliegen.
Jetzt muss ich nur noch zusehen, das Tablett unbeschadet in meinen
Wagen und zur Polizei zu bekommen.
Ich zögere, nehme jede Einzelheit der Wohnung in mich auf und
betrachte noch einmal lange das Monstrum von Bett, das heute Nacht so fröhlich
gequietscht hat. Würde so gern wieder Marcels Haut auf meiner spüren. Ich
möchte die Nacht nicht loswerden, auch wenn sie mich schon längst ausgespuckt
hat.
Ich habe gar keine Lust auf einen mörderischen Alltag, der uns
wieder alles kaputt machen wird. Marcels Stimme klang jedenfalls danach. Er hat
sich nicht einen einzigen liebevollen Ton erlaubt. Vielleicht, weil seine
Bedürfnisse nicht wirklich befriedigt worden sind und er jetzt überlegt, wie er
mich wieder loswerden kann.
Immerhin lacht er, als er mich und sein Tablett beim Empfang im
Bruchsteinhaus der Sankt Vither Polizei abholt.
»Gute Idee, ich habe auch noch nichts gegessen«, sagt er und führt
mich in ein kleines Büro gleich rechts neben dem Flur.
»Hier vernehmen wir die Delinquenten«, sagt er.
»Genau das Richtige für ein gemütliches Frühstück«, gebe ich zurück.
»Gibt’s hier auch Kaffee?«
»Kommt direkt.«
Er verlässt den Raum. Ich versuche, den Tisch so nett wie möglich zu
decken. Die gleichen Teller sahen auf dem selbst gezimmerten Tisch in der engen
Küche viel appetitlicher aus als hier in der kargen Zelle.
»Jetzt erzähl!«, fordere ich ihn auf, als er mit zwei Bechern Kaffee
zurückkehrt.
»Es war genau, wie Kellenhusen gesagt und wir alle irgendwie gedacht
haben«, beginnt er und stellt einen Becher vor mich hin. »Es gab einen bösen
Streit, und da ist sie ihm einfach abgehauen.«
»Zu Fuß?«
»Ja, mit einem kleinen Rucksack.«
»Und wohin?«
»Ins Hohe Venn.«
»Aber das Blut auf der Kehr?«
»Da war sie zuerst. Sie kennt sich mit dem Westwall erstaunlich gut
aus. In dem großen Bunker hat sie sich nach ihren Dackelfledermäusen umgesehen …«
»Mops.«
»Wie bitte?«
»Mopsfledermäuse heißen die. Egal, red weiter.«
»Dann unterbrich mich nicht. Wo war ich?«
»Dackelfledermäuse …«
»Genau. Da ist sie ausgerutscht, hat sich leicht verletzt, so kam
das Blut wohl dahin, und sich noch mehr über alles geärgert. Und beschlossen,
wie wild zu gehen, einfach nur durch die Gegend zu laufen vor lauter Wut und
Frust. Sie sagte den Kollegen, das sei die beste Therapie gegen Depressionen.«
»Wie Forrest Gump.«
»Wer ist das?«
»Egal. Weiter.«
»Also sie läuft und läuft, bis die Füße blutig sind …«
»Und wo hat sie geschlafen?«
»Die letzte Nacht bei Schröder auf Losheimergraben. Die haben am
Morgen das Grenz-Echo gesehen, da ist heute ihr Bild
drin …«
»Wieso erst heute?«
»Entschuldige bitte, wir sind in Belgien. Die Frau ist in
Deutschland verschwunden. Jedenfalls haben die ihr Bild erkannt und sie gleich
drauf angesprochen. Die Dame ist fast durchgedreht, und da wusste sie das von
ihrem Mann noch gar nicht. Ich meine, dass er tot ist. Hat sofort ein Taxi
gerufen …«
»Ein was?«
»Ein Taxi.«
»Seit wann gibt’s hier Taxis?«
»In Kronenburg gibt es Diana, die fährt Taxi. Die ist direkt zum
Losheimergraben gekommen und hat die Frau zum Burghaus in Kronenburg gebracht.
Und das ist sehr, sehr ärgerlich.«
Ich nicke. »Jetzt kannst du sie nicht
befragen. Warum hat das Hotel nicht zuerst bei euch angerufen?«
»Warum wohl!«, knurrt Marcel. »Niemand hat gern die Polizei im Haus,
schon gar nicht ein Hotel auf der alten Schmugglergrenze.«
»Und woher weißt du das dann alles?«
»Weil mich die Hotelbesitzerin angerufen und mir alles erzählt hat.
Hinterher!«
»Ist doch nett. Waren die Euskirchener Kollegen auch so kooperativ?«
Marcel nickt und schweigt.
»Natürlich«, sage ich und beiße in eine kalte Waffel, die ich mit
einer honigsenfbestrichenen Räucherlachsscheibe belegt habe, »über den Gang der
Ermittlungen darfst du mir nichts verraten. Warum bin ich dann überhaupt hier?«
»Dazu komme ich gleich«, sagt er und stopft sich eine winzige Käsetasche
in den Mund. »Das hängt mit Herrn Eichhorn zusammen. Über den wissen wir
inzwischen eine ganze Menge. Zum Beispiel, dass er vor zwei Tagen im Hotel Balter in Losheim eingecheckt hat.«
Das Hotel Balter . Andere Erinnerungen
werden wach. An einen
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