Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Thema möchte ich nun gerade nicht sprechen. Während
Marcel erstaunlich gemächlich durch Krewinkel gondelt, frage ich ihn nach dem
Nationalregister und was er damit gemeint habe, er sei der zuständige
Beamte .
»Der bin ich auch für dich«, antwortet Marcel. »Jeder, der zu uns
zieht, wird von der Polizei zu Hause zwecks Wohnsitzüberprüfung aufgesucht.«
»Auch ohne Mordfall?«, frage ich verblüfft.
Marcel nimmt am Hinweisschild Kehr die
Kurve nach links. »Ja, natürlich, wir müssen doch wissen, wer bei uns wohnt.
Und der Bürger weiß, an wen er sich im Notfall zu wenden hat«, erwidert er.
»Das ist sehr viel persönlicher als bei euch in Deutschland. Jeder hat hier
seinen für ihn zuständigen Polizisten. Wir sind eben sehr bürgernah.«
So bürgernah, dass über alle siebzigtausend Einwohner im Bereich der
Deutschsprachigen Gemeinschaft staatlicherseits Buch geführt wird, wie ich zu
meinem Entsetzen erfahre. Der gläserne Bürger, von dem deutsche Innenminister
träumen, lebt in Belgien. Selbst privateste Details werden registriert.
»Aber du hast mich damals nicht nach Beruf, Einkommen und Vermögen
gefragt«, bemerke ich, nachdem ich mich von meiner Fassungslosigkeit erholt
habe.
»War nicht nötig, hast du mir ja alles selbst erzählt«, gibt er
zurück.
»Und du hast das dann haarklein in euer Nationalregister
eingetragen?«, frage ich ungläubig.
Er nickt. »Aber natürlich habe ich das weitergegeben.«
»Und da kann jeder nachsehen?«
»Nur, wer dazu befugt ist«, antwortet er gelassen.
»Wenn du dich also für irgendeine Frau in eurem Gebiet privat
interessierst, kannst du da alles über sie nachlesen?«, frage ich empört.
Marcel wirft mir einen fröhlichen Blick zu.
»Das, was mich privat an der Frau interessiert, die in meinem Gebiet
wohnt, finde ich dort leider nicht. Außerdem wird registriert, wer wann was
nachgeschaut hat«, erwidert er, »für jeglichen Missbrauch vorzubeugen.«
»Wie beruhigend.«
»So bin ich ja auch dahintergekommen, dass sich diese Cora bei uns
nicht angemeldet hat.«
Wir sind oben auf der Kehr angekommen. Er biegt links ab und fährt
in meinen Hof ein.
Beunruhigt blicke ich zu meiner Haustür. Von der Straße aus kann ich
nicht erkennen, ob da Marihuana herumliegt.
»Wir parken lieber am Restaurant«, sage ich hastig und deute auf die
andere Straßenseite.
Er zieht die Handbremse und blickt an sich herab.
»Geht nicht. Ich trage Uniform. Wenn du erlaubst, warte ich in
deinem Haus auf dich.«
»Bitte komm mit mir rüber«, sage ich drängend. Ich muss ihn
unbedingt davon abhalten, sich meiner vermutlich cannabisverseuchten belgischen
Haustür zu nähern. »Du ermittelst jetzt doch nicht. Ich brauche dich da. Wer
weiß, in was für einer Verfassung sich Gudrun befindet.«
In einer erstaunlich guten, wie wir schnell feststellen können.
Genau wie die Einkehr . Die ist von oben bis unten
geputzt.
»So bewältigt eine richtige Eifelerin ihre Trauer«, flüstert mir
Marcel zu, als wir die blitzblank gewienerte Küche betreten. Linus springt laut
bellend an mir hoch.
»Ich hatte keine Zeit, um mit ihm Gassi zu gehen«, sagt Gudrun
entschuldigend, »aber dafür habe ich auch bei dir sauber gemacht, die Fenster
von draußen, das war wirklich nötig. Und das ganze Grünzeug vor deiner Haustür
weggefegt, da muss dir ein Sack mit allen verdorbenen Kräutern der Welt
geplatzt sein, so schlimm stank das! Ich hätte auch drinnen geputzt, aber ich
konnte den Schlüssel nicht finden.«
»Apropos Schlüssel«, bemerkt Marcel. »Du kannst mir ja deinen
Autoschlüssel geben.«
Ich beäuge ihn misstrauisch.
»Ist mein Fahrzeug jetzt verdächtig? Muss da was im Nationalregister
eingetragen werden?«
Marcel lacht. »Aber nein, Katja, ich wollte dir nur die Hin- und
Rückfahrt nach Sankt Vith ersparen und dir den Wagen heute Abend selbst
zurückbringen.«
Ich sehe zu Gudrun hinüber. Sie steht ganz oben auf einer Leiter,
reckt sich nach der Zimmerdecke und bearbeitet die auf Putz liegende Leitung
der Küchenlampe mit einem Wischtuch. Erstaunlich, was man so alles sauber
machen kann, wenn man fürchterlich traurig ist.
»Und wie kommst du dann nach Hause zurück?«, frage ich spitz.
»Mit dir, dachte ich«, antwortet Marcel leise. Er will nach meiner
Hand greifen, aber die habe ich schnell fortgezogen. Eine feine Röte breitet
sich auf seinem Gesicht aus. Er steht auf.
»Dann eben nicht«, sagt er, »aber ich muss jetzt zurück zum Dienst.
Komm, Katja, wir
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