Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
nicht
gab.
Vor dem Badezimmerspiegel mustere ich meine Labialfalten. Bin ich
etwa neidisch auf die Kolleginnen der Neuzeit? Nein. Ich schicke einen stummen
Gruß an Alice Schwarzer, die an der Wiege der Wahl gestanden hat, und angele
aus meinem Wäschekorb den engen langen Rock, den ich in Kronenburg getragen
habe und der durchaus noch passabel aussieht. Blödsinnig und sehr unökologisch,
den nach einmaligem Tragen zu waschen. Die Bluse tut es auch noch. Ich ziehe
alles an und bestäube das Ganze mit etwas Parfüm und meinem Pflanzenbesprüher,
um es aufzufrischen.
»Olala«, sagt Marcel, als ich ins Schlafzimmer zurückkehre. »Da will
jemand ausgehen.«
»Weil mich jemand zum Muschelessen eingeladen hat.«
Die Antwort ist schneller raus, als ich denken kann. Nach dem
wunderbaren Erwachen in mein neues Leben darf ich Marcel nicht des toten
Hans-Peters wegen böse sein. Er springt aus dem Bett und fahndet in seinen
Klamotten nach dem Handy.
»Dann bestelle ich uns gleich einen Tisch im Pipas.«
Ich höre ihn reden. In einer Stunde also.
»Wir müssen noch mal rüber zur Einkehr «,
sage ich lustlos. »Uns den vermaledeiten Amerikaner ansehen. Oje, Gudrun hatte
schon wieder Hans-Peter-Augen. Das kann doch nur schiefgehen. Schon wieder. Ich
mag nicht mehr.«
»Komm, Katja, Gudrun ist unsere Freundin.«
»Was ist eigentlich mit Gabys Stiftungsgeldern? Hat Gudrun die etwa
auch?«
Marcel lacht. »Natürlich nicht. Die liegen immer noch auf der
Luxemburger Bank.«
»Und sind für alle verloren, weil sie auf einem Nummernkonto ruhen?«
»Wir sind hier doch nicht in Österreich! Da können die Erben von
einem Nummernkonto in die Röhre gucken, wenn ihnen Zahl und Kennwort fehlen.
Unsere Freunde, die Luxemburger, sind so anständig, bei der Suche zu helfen.«
Ach ja, Sankt Vith hat ja immer noch den Luxemburger Löwen im Stadtwappen. Und
vielleicht wird sich die DG dem Großherzogtum anschließen, wenn Belgien auseinanderfällt.
»Zumal Holger Eichhorn herausgefunden hat, in welcher Bank das Geld lagert.«
»Und wo geht es jetzt hin?«
»Es fließt wieder der Stiftung zu, natürlich.«
Der Stiftung für bedrohte Arten. Zu denen auch die Eibe gehört. Die
mir zum Verhängnis geworden wäre, wenn Linus, Marcel und Josef mich nicht
gerettet hätten.
»Wie hat dir eigentlich Josef geholfen?«, frage ich, während ich den
zweiten meiner High Heels suche. Mit sichtlichem Widerwillen wendet sich Marcel
seinen Kleidungsstücken zu. Er hätte wohl lieber mein Bett für den Rest des
Sonntags gepachtet.
»Hans-Peters Wagen stand nicht mehr am Hochwasserbehälter«, sagt er
und greift nach seinem Polizistenhemd. »Also sind wir nach Kronenburg gefahren.
Bingo. Auf dem großen Parkplatz vor dem Burgtor haben wir ihn entdeckt.
Sicherheitshalber hat sie nicht vor dem Hotel geparkt.«
»Falsches Knopfloch.«
Er knöpft um.
»Mir war klar, dass sich die Frau wieder als Cora verkleiden wird,
um dich zu treffen. Sie muss geglaubt haben, dass du hinter ihr Geheimnis
gekommen bist.«
Ich weiß, wo Cora ist . Mit dieser Lüge
hatte ich mein Todesurteil unterschrieben! Und Gaby Gelegenheit gegeben, mich
durch meinen scheinbaren Selbstmord als alternative Täterin aufzubauen, um
notfalls die Polizei von der Spur der verschwundenen Cora abbringen zu können.
Bei diesen Gedanken wird mir wieder ganz schwindlig.
Marcel berichtet, wie er Dirk Peters bekniet hat, ihm das Zimmer der
Frau zu öffnen, die unbedingt nicht gestört werden wollte.
»Es gehe um Leben und Tod, habe ich ihm gesagt.«
»Lass mich raten: Er hat die Tür der bedauernswerten Witwe
aufgemacht, weil er dich kennt und ihr beide Belgier in der Bundesrepublik seid
und gegen böse Deutsche zusammenhalten müsst?«
»Letztendlich ja, aber es hat schon etwas Überzeugungsarbeit
gekostet. Ich habe nur noch die Perücke gefunden. Die Frau war schon raus.«
»Dann muss sie euch doch im Flur begegnet sein?«
»Es gibt zwei Flure. Josef hat die Frau erwischt; er bewachte das
andere Treppenhaus und gab mir Bescheid. Sie joggte durch Kronenburg, stieg
hinter dem Burgtor aber nicht ins Auto, sondern rannte weiter.«
»Und ihr hinterher?«
»Klar, aber unauffällig. Mit Abstand. Das war unser Fehler. Weil sie
oben plötzlich rechts um die Ecke bog, und futsch war sie. Futsch, verstehst
du, weg!«
»Wie weg?«
»Josef sagt, er hat einen Automotor gehört. Aber wo holt sie ein
Auto her? Wir rennen um die Ecke, und da ist keine Frau mehr.«
»Taxi?«, schlage ich
Weitere Kostenlose Bücher