Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
taucht ja nicht einmal in der
Tourismussaison ein Fremder auf. Wer von Prüm nach Malmedy oder umgekehrt
fährt, rast gänzlich unbeeindruckt durch unsere Ortschaft, drosselt am grünen
Ortsschild kaum je die Geschwindigkeit. Lohnt sich für die paar Meter ja nicht.
Was sich mit der Eröffnung meines Restaurants unbedingt ändern muss. Vielleicht
mittels eines Warnschildchens mit der Aufschrift Radar ?
Soll sich Hein erkundigen, wer dafür zuständig ist – der Straßenrand gehört
schließlich den Belgiern, die den deutschen Behörden erlaubt haben, dort ihre
Schilder aufzustellen. Würde ja auch komisch aussehen, wenn auf einer
Straßenseite deutsche und auf der anderen belgische ständen.
»Es hat lange gedauert, bis ich die Beweise in Händen hatte und
zeitlich alles auf die Reihe setzen konnte«, fährt Marcel fort und setzt leiser
hinzu: »Fast zu lange, aber Linus sei Dank gerade noch rechtzeitig. Nur eine
Sache ist mir noch rätselhaft, aber die hat mit der Lösung des Falls nichts zu
tun.«
Diesmal lasse ich es mir gefallen, dass mich mein Lebensretter in
den Arm nimmt. Ich rücke sogar ein wenig zur Seite, damit er sich in meinem
Anderthalbpersonenbett neben mir ausstrecken kann. Was er erst tut, nachdem er
sich die Uniform ausgezogen hat. Er legt Hose, Jacke und Hemd erstaunlich
sorgfältig über das Fußende und dann sich in seinen grauseidenen Boxershorts
und dem Baumwoll-T-Shirt neben mich.
»Socken«, murmele ich vorwurfsvoll.
Ich habe schließlich auch keine mehr an. Nur T-Shirt und Slip. Hat
mich Marcel etwa entblättert?
Während er die Socken abstreift, liest er wieder einmal meine
Gedanken.
»Keine Sorge, Gudrun hat dich ausgezogen.«
»Du hast mich noch ausgezogener gesehen.«
»Das ist etwas anderes«, sagt er und verfehlt mit dem Sockenbündel
den anvisierten Stuhl.
So viel Sensibilität von einem Mann, der mich geschlagen hat?
»Warum hast du mich gehauen?«
Er nimmt mich in den Arm und küsst mich.
»Es tut mir so leid, Katja, aber ich hatte riesige Angst. War total
verzweifelt, dass du schon von dem Zeug was eingeholt hast … da gibt es dann
kein Zurück. Ich musste dich irgendwie zur Besinnung bringen. Es tut mir leid.«
»Ich war zu bis unter die Haarwurzeln.«
»Ja. Übrigens Haarwurzeln, das war ein Teil der Lösung.«
»Erzähl!«
Er schüttelt den Kopf und schiebt mich mit einigen Mühen in die
Horizontale.
»Später, Katja, wenn du wieder richtig wach bist.«
»Bleibst du hier?«, frage ich und kuschele mich dankbar an den
schlanken warmen Leib.
»So lange du willst«, flüstert er mir ins Ohr, ohne die Arme von mir
zu nehmen. In mir und um mich herum herrscht ein ähnlicher Frieden wie vorhin
im Wald, als mir Cora die Speise gereicht hat. Nur dass ich jetzt erheblich
komfortabler liege, von einem anderen Körper gewärmt werde und herrlich weichen
Stoff von seidenen Boxershorts genießen darf. Ich schlafe augenblicklich wieder
ein.
Ich erwache mit einem Ruck. Als wäre plötzlich die Last der Welt auf
mich niedergekommen. Oder ein Elefant, der mir den Brustkorb zerquetschen will.
»Linus!«, brüllt Marcel.
Kein Elefant. Der Druck ist weg. Ich hole tief Luft, versuche mich
aufzurichten und öffne die Augen. Neben meinem Bett hockt der schwarze
Riesenhund mit heraushängender Zunge und sieht genauso erstaunt wie ich auf Marcel.
Der sitzt mit abgespreizten Armen auf der Bettkante und macht seltsame
Fingerbewegungen.
»Meditation?«, bringe ich hervor.
»Arme eingeschlafen«, antwortet er und nickt dankbar, als er es
endlich schafft, die rechte Hand zur Faust zu ballen.
»Mensch, Gudrun, was fällt dir ein, uns hier mit Linus zu
überfallen!«
Jetzt erst sehe ich Gudrun in der Tür stehen.
»Entschuldigung«, sagt sie und strahlt übers ganze Gesicht. »Aber
ich dachte, nach vierundzwanzig Stunden …«
»Vierundzwanzig Stunden?«, frage ich fassungslos.
»Alles zusammen«, sagt Marcel rasch, »du hast eben noch mal zwei
Stunden geschlafen. Wie geht es dir?«
Ich fasse mir an den Kopf. Er sitzt da, wo er hingehört, und scheint
ansonsten auch sehr klar zu sein.
»Gut«, sage ich erstaunt. »Ich glaube, sogar sehr gut. Und dir?«
Seine Finger machen kein sehr geglücktes Lufttheater.
»Bestens«, antwortet er. »Heute ist Sonntag, da darf alles an mir
ausschlafen.«
Ich versuche, nach seinen Händen zu greifen. Wem an meinem Körper
die Arme einschlafen, dem schulde ich eine Massage.
»Das mache ich«, bestimmt Gudrun. Sie setzt sich unbekümmert
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