Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
etwas.
»Du hast sehr heftig auf die Droge reagiert.«
Wohl wahr. Ich schließe wieder die Augen. Du lieber Himmel; er weiß
Bescheid! Hat er an meinem bewusstlosen Körper einen Drogentest durchgeführt?
Ist so etwas überhaupt erlaubt? Oder habe ich das Gras nicht ordentlich entsorgt?
Hat Marcel Spuren meines Scheiterhaufens gefunden, die ihn zum polizeilichen
Handeln zwingen? Hat er mich widerrechtlich über die Bundesstraße nach Belgien
geschleppt, um gegen mich zu ermitteln?
»Wirst du mich jetzt festnehmen?«
»Wieso das denn?«, fragt er leise lachend. »Du hast damit doch gar
nichts zu tun.«
»Das stimmt«, gebe ich erleichtert zurück und setze mich auf. »Ich
war immer voll dagegen.« Und weil ich Hein nie im Leben verraten oder belasten
würde, setze ich hinzu: »Glaube mir, ich habe keine Ahnung, wie das zu mir kam
und wer dahintersteckt.«
»Wir aber«, erwidert Marcel. »Alles ist aufgeklärt, und du kannst
ruhig weiterschlafen, wenn du magst. Du hast eine schlimme und anstrengende
Zeit hinter dir. Wie wir alle.«
Und Hein hat eine schlimme Zeit vor sich, denke ich. Werden sie ihm
im Gefängnis erlauben, sich die Haare zu färben? Gefängnis? Was fällt Marcel
ein, unseren gemeinsamen Freund den deutschen Autoritäten auszuliefern? Das
darf ich nicht zulassen.
Ich setze mich auf und mühe mich, die Reste der Benommenheit
abzuschütteln. Marcel tauscht seinen Hocker gegen die Bettkante ein. Als er
seinen Arm um mich legen möchte, wehre ich ihn ab. Ein Freund, der einen Freund
verrät, ist keiner. Außerdem hat mich Marcel geschlagen. Daran erinnere ich
mich, obwohl ich nicht mehr weiß, in welchem Zusammenhang. Aber schlagen ist
immer schlecht. Hat er die Wahrheit aus mir herausgeprügelt? Dann gehört er hinter
Gitter. Und ich sollte mich über Frauenhäuser in Belgien informieren.
»Möchtest du etwas trinken?«
Dankbar greife ich nach dem angebotenen Glas Wasser und leere es in
einem Zug.
»Kannst du dich noch an irgendetwas erinnern?«, fragt Marcel. »Weißt
du, was gestern im Wald vorgefallen ist?«
Als ich nichts erwidere, setzt er nach: »Du warst nicht ganz bei
Sinnen, Katja, du standest unter Drogeneinfluss.«
Schuldbewusst senke ich den Kopf. Er hat ja so recht. Aber nichts
werde ich ihm von Heins einstiger Hanfplantage hinter meinem Haus erzählen. Da
kann er sich auf den Kopf stellen oder noch mal zuschlagen. Soll er doch
denken, dass ich heimlich kiffe! Immer noch besser, als einem Freund in den
Rücken zu fallen.
»Diazepam«, sagt Marcel eindringlich. »Erinnerst du dich?«
»Diazepam …« Ich schließe die Augen und atme tief durch. Diazepam
hat niemand hinter meinem belgischen Haus angebaut. Es geht gar nicht um den
Hanf, es geht um ein Medikament. Das steckte in einer Spritze und die in meiner
Vene. Ich fasse mir an den Hals und ertaste ein kleines Pflaster.
Allmählich lüftet sich der Schleier der Erinnerung, auch wenn ich
vorerst nur Schemen sehe: Cora mit ihrem spitzbübischen Lachen. Wir haben uns
im Wald getroffen und über das jüngste Gericht für die Einkehr gesprochen, eine ganz besondere Crème brûlée mit herber Note.
Mit extrem herber, teuflischer Note!
Endlich begreife ich.
»Es war Cora! Die wollte mich umbringen?!«
»Linus hat dir das Leben gerettet.«
»Und du. Und Josef!«
Cora hätte bestimmt darauf bestanden, dass ich ihre spezielle
Variante von Waldbeeren und Rosmarin ordentlich kaue und runterschlucke. Beeren
und Nadeln der tödlichen Eibe. Ich hätte es getan. In meiner gestrigen
Verfassung wäre mir Widerstand gar nicht möglich gewesen. Mit der Spritze hat
mich die Frau willenlos gemacht, gefügiger, als ich je im Leben gewesen bin.
Jetzt ist mir alles klar.
»Cora ist die Mörderin!« Triumphierend setze ich hinzu: »Ich hatte
also recht!«
»Du hattest recht.«
»Und du hast dich geirrt! Wie Gudrun warst du davon besessen, dass
es Hans-Peters Ehefrau war.«
»Wir hatten auch recht.«
»Bitte?«
»Es war Gabriele von Krump-Kellenhusen.« Offensichtlich erfreut über
meinen verständnislosen Gesichtsausdruck, fährt Marcel gedehnt fort: »Cora –
und – Gaby. Sie sind ein und dieselbe Person.«
»Unmöglich!«
»Dachte ich erst auch. Obwohl mir der Verdacht schon ziemlich früh
kam – eine Frau aus deinem Bekanntenkreis verschwindet auf der Kehr, und eine
andere taucht zur selben Zeit in deinem Umfeld auf.«
»Solche Zufälle gibt es doch immer wieder!«
»Hier?«, fragt Marcel zweifelnd.
Natürlich nicht. Auf der Kehr
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