Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
neben
ihn auf die Bettkante und beginnt, Marcels Finger zu reiben. »Du bist dafür
noch viel zu schwach, Katja. Außerdem muss ich euch was Wichtiges sagen.«
»Kann das nicht warten?«, fragt Marcel. »Ich muss Katja auch noch
was sagen. Was sehr Wichtiges.«
»Wohl wahr«, stimme ich zu. »Haarwurzeln.«
»Ich fühle meine Fingerspitzen wieder, Gudrun. Danke.«
Widerwillig erhebt sie sich.
»Der Amerikaner ist da!«, platzt sie heraus und sieht uns erwartungsvoll
an.
Ich schließe die Augen. Bitte, lieber Gott, nicht schon wieder eine
neue Geschichte, bitte nicht wieder ein neuer Mann in meinem Eifeler Leben!
Vorerst sollen alle Fremden an der Kehr vorbeirauschen. Kein Radarschild bitte.
Ich will jetzt in Frieden neben Marcel liegen und von ihm hören, warum Cora und
Gaby zu einer Person verschmolzen, weshalb Hans-Peter und Herr Eichhorn tot
sind und wie mein belgischer Lieblingspolizist den Fall gelöst hat!
»Welcher Amerikaner?«, fragt Marcel genauso müde, wie ich mich
gleich wieder fühlen werde, wenn Gudrun nicht schleunigst verschwindet.
»Dem mein Haus jetzt gehört! Der rechtmäßige Erbe; sein Großvater
ist in dem Haus geboren worden und hat da gelebt, bis die Nazis …« Sie bricht
ab. Diesen Teil der Geschichte, der so schmerzlich mit ihrer eigenen Familiengeschichte
verbunden ist, mag sie aus verständlichen Gründen nicht weitererzählen. »Ein
ganz toller Mann, wirklich! Und so witzig! Ihr werdet staunen, was der alles zu
erzählen hat …«
»Ich kann kein Englisch«, knurrt Marcel. »Jetzt geh bitte, Gudrun.«
»Er spricht prima Deutsch! Hört sich ganz niedlich an! Finden Hein
und Jupp auch. Und er wohnt in Texas neben dem Westwall, sein Vater hat ein
ganzes Stück davon nach USA mitgeholt, da staunt ihr, was?«
»Nein, Gudrun«, melde ich mich jetzt zu Wort. »Da staunen wir gar
nicht. Wir möchten jetzt nur allein sein.«
»Oh«, sagt sie enttäuscht. »Na schön. Aber wir sehen uns später in
der Einkehr ?«
»Ja!«, brüllen wir unisono.
»Und Linus?«
»Mitholen!«, schreien wir im Chor.
Als die Tür hinter den beiden Störenfrieden ins Schloss fällt, atmen
wir beide gleichzeitig extrem tief aus. Wir haben es nicht nötig zu erwähnen,
wie ähnlich wir denken, fühlen und wie nah wir einander sind. Weshalb wir uns
augenblicklich ausgiebig dem Animalischsten aller Kommunikationsmittel widmen.
Und damit ist der letzte Zweifel an meinem derzeitigen Aggregatzustand gänzlich
beseitigt. Ich lebe, und wie!
»Haarwurzeln?«, frage ich, als Marcel nach einer kleinen
Ewigkeit die zu Boden gerutschte Daunendecke aufhebt und wieder über uns
bettet. Voller Behagen setzen wir uns beide auf, stopfen uns die riesigen
Kissen in den Rücken und blicken aus dem kleinen Fenster meines verfallenden
Bruchsteinhauses hinaus in das oktoberliche Schneegestöber der Dämmerung.
»Ja«, sagt er. »Die Haare, die am Bunker gefunden wurden, stimmten
nicht mit den Haaren überein, die ich der Dame am Burghaus abgeschnitten habe …«
»Wie, abgeschnitten?«
»Unterbrich mich nicht! Ist schon kompliziert genug. Ich bin in
Kronenburg zum Rauchen rausgegangen, weil ich schon ahnte, dass die Frau
abhauen wird, wenn sie hört, dass wir da sind. Die wollte kein Risiko eingehen.
Ich habe mich neben dem Burghaustor hinter einem Auto versteckt und ihr mein
Zigarilloetui auf die Füße geworfen. Natürlich hat sie sich danach gebückt.
Reflex eben. Da hatte ich übrigens auch gleich ihre Fingerabdrücke und konnte
die später mit denen auf meiner Beifahrertür vergleichen – du erinnerst dich
doch, dass ich deine Igelfrau nach Krewinkel gefahren habe?«
»Haarwurzeln?«
»Ich habe eine Schere an meinem Schweizer Taschenmesser. Als sie
sich bückte, bin ich auf sie zugesprungen und konnte ihr unbemerkt ein paar
Haare abschneiden …«
»Aber du sagtest doch gerade, dass die Haare nicht mit denen am
Bunker übereinstimmen?«
»Weil sie in Kronenburg eine Perücke trug. Das hat der Friseur bei
mir unten im Haus schnell herausgefunden. Ihre alten echten gefärbten Haare hat
sie am Bunker zurückgelassen, genau wie das Blut, um uns alle auf die falsche
Spur zu bringen.«
»Wie geht das denn? Und wozu das ganze Theater?«
»Um ihren Mann am Verschwinden mit den gestohlenen Geldern zu
hindern, ist sie selbst verschwunden. Mit seinem Personalausweis und unter
Hinterlassung des Babys. Nach einem künstlich herbeigeführten Streit im
Kronenburger Hotel ist sie schnurstracks ins Hotel Balter in
Losheim
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