Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
war eine perfekte Politikerstimme, fand er, die in beruhigendem und vertrauenerweckendem Ton jedermann das sagte, was er gerne hören wollte. In einer Situation wie dieser war er Gold wert. Smithback blickte sich verstohlen nach den niedergeschlagenen Leuten um. Es waren schlanke, juwelengeschmückte Frauen in ihren langen Abendkleidern, Geschäftsmänner um die Fünfzig in arg mitgenommenen Smokings und ein Häufchen Yuppies aus den großen Geschäftsbanken und Börsenmaklerfirmen an der Wall Street. Smithback kannte ihre Gesichter mittlerweile auswendig und hatte jedem einzelnen von ihnen im Geiste schon einen Namen und einen Beruf zugewiesen. Da stapften sie nun, reduziert auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, grün von Algen und Wasserschleim, durch einen dunklen Tunnel, in dem eine entsetzliche Kreatur gnadenlos Jagd auf sie machte.
Smithback hatte ebensoviel Angst wie alle anderen auch, aber bisher hatte er sich seinen klaren Verstand bewahren können. Als ihm bewußt geworden war, daß die Gerüchte über das Museumsmonster grausige Wirklichkeit waren, hatte er einen Augenblick lang eine eiskalte, fast panikartige Furcht verspürt. Jetzt aber, müde und naß wie er war, hatte er weniger Angst vor dem Sterben als davor, nicht mehr lange genug am Leben zu bleiben, um sein Buch fertigschreiben zu können. Er fragte sich, ob er mutig, geldgierig oder schlicht und einfach dumm war. Was immer auch zutreffen mochte, eines wußte er genau: Wenn er das hier unten überlebte, dann war er ein gemachter Mann. Buchpräsentationsparty im teuersten Nobelrestaurant, jede Menge prominenter Gäste und ein ausführliches Feature in den Abendnachrichten. Niemand konnte diese Story so schreiben wie er, denn keiner der anderen Journalisten hatte sie am eigenen Leib miterlebt. Die Talkshows würden sich um ihn reißen, und in allen Medien würde man ihn wie einen Helden feiern. Er, William Smithback Junior war dem Monster ganz allein, nur mit einer Taschenlampe bewaffnet, gegenübergestanden, während D’Agosta hinter ihm das Schloß aufgeschossen hatte. Er, Smithback, hatte den Einfall gehabt, mit der Taschenlampe die Tür zu blockieren. Er war Lieutenant D’Agostas rechte Hand in diesen dramatischen Stunden.
»Leuchten Sie doch mal da oben links hin«, holte D’Agostas Stimme ihn aus seinen Gedanken, und Smithback kam dem Befehl sofort nach. Da war nichts.
»Ich dachte, es hätte sich was bewegt«, murmelte D’Agosta.
»Muß wohl ein Schatten gewesen sein.«
Bitte, lieber Gott,
dachte Smithback,
laß mich meinen Erfolg noch erleben.
»Bilde ich mir das nur ein, oder wird das Wasser wirklich tiefer?« fragte er D’Agosta.
»Es wird tiefer,
und
es fließt schneller«, antwortete dieser. »Und außerdem verzweigt sich der Tunnel vor uns schon wieder. Pendergast hat mir nicht gesagt, wie wir weitergehen sollen.« »Das hat er nicht?« Smithback hatte auf einmal ein äußerst flaues Gefühl im Magen.
»Ich hätte ihn von der zweiten Abzweigung aus wieder anfunken sollen«, sagte D’Agosta. »Aber ich habe mein Funkgerät irgendwo auf der anderen Seite der Tür verloren.«
Smithback spürte einen stärkeren Schwall Wasser von hinten und hörte gleichzeitig einen Schrei und ein Platschen.
»Nichts passiert«, sagte der Bürgermeister, als Smithback mit der Taschenlampe nach hinten leuchtete. »Jemand ist hingefallen. Die Strömung wird immer stärker.«
»Wir dürfen denen nicht sagen, daß wir nicht wissen, wie es weitergeht«, sagte Smithback flüsternd zu D’Agosta.
Margo riß die Tür zur Sicherheitszone auf, sah vorsichtig in den Gang hinein und nickte Pendergast zu. Der Agent ging rasch hinein und zog das Bündel hinter sich her.
»Schließen Sie es im Lagerraum mit den Whittlesey-Kisten ein«, sagte Frock. Wir müssen das Wesen so lange hier drin halten, daß wir die Tür hinter ihm zumachen können. Margo öffnete den Lagerraum, während Pendergast mit dem Bündel ein verschlungenes Muster auf den Boden vor dem Raum zeichnete. Als er fertig war, legten sie das Bündel in den Lagerraum mit den Kisten und verschlossen die Tür.
»Schnell!« drängte Margo, »auf die andere Seite des Ganges!« Sie ließen die Haupttür zur Sicherheitszone offen und gingen in den Lagerraum für Elefantenknochen auf der anderen Seite des Ganges. Das kleine Fenster in der Tür war offensichtlich schon vor langer Zeit kaputtgegangen und durch ein Stück Pappendeckel ersetzt worden. Margo öffnete die Tür mit Frocks Schlüssel,
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