Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
des Berges ab. Ohne Zweifel waren die Brasilianer hinter Gold oder Platin oder etwas anderem her, das sie mit Hilfe von zyanidhaltigen Chemikalien aus dem Gestein lösten. Den ganzen giftigen Dreck leiteten sie dann einfach in die Flüsse. Und so ist im weiten Umkreis nichts, aber auch gar nichts mehr übrig. Deshalb hat auch das Museum nie eine zweite Expedition dorthin geschickt, die nach dem Verbleib der ersten hätte forschen sollen.« Jorgensen räusperte sich.
»Das ist ja schrecklich«, sagte Margo ergriffen.
Jorgensen blickte sie mit seinen beunruhigenden, himmelblauen Augen an. »Ja, das
ist
schrecklich. Ein unaussprechlich schlimmes Verbrechen. Natürlich werden Sie davon in der Aberglaube-Ausstellung kein Wort lesen.«
Smithback hob eine Hand, während er mit der anderen sein Diktiergerät aus der Tasche nahm. »Entschuldigen Sie bitte, darf ich –«
»Nein, Sie dürfen das
nicht
aufnehmen. Das ist nicht für die Veröffentlichung bestimmt. Und zitieren dürfen Sie mich auch nicht. In keiner Hinsicht. Wie Sie ja möglicherweise bereits wissen, habe ich heute früh ein diesbezügliches Memo bekommen. Ich tue das hier aus rein persönlichen Gründen. Jahrelang konnte ich nicht darüber sprechen, und jetzt werde ich es tun, aber nur ein einziges Mal. Also seien Sie still und hören Sie zu.«
Wieder war es eine Weile völlig still.
»Wo war ich?« fing Jorgensen schließlich wieder zu reden an. »Ach ja. Whittlesey hatte also keine Erlaubnis, das
Tepui
zu ersteigen. Und Maxwell war ein eingefleischter Bürokrat. Er war entschlossen, Whittlesey dazu zu zwingen, sich an die Regeln zu halten. Aber was für Regeln gibt es schon da draußen im Dschungel, dreihundert Kilometer von jeglicher Regierung entfernt?« Er kicherte leise vor sich hin.
»Ich möchte bezweifeln, daß irgendwer sagen kann, was
wirklich
dort im Urwald geschehen ist. Ich habe die Geschichte von Montague, der sie sich aus Maxwells Telegrammen zusammengereimt hat. Und die sind natürlich keine unvoreingenommene Quelle.«
»Montague?« warf Smithback ein.
»Nun, jedenfalls«, fuhr Jorgensen fort und ignorierte den Journalisten, »sieht es so aus, als wäre Maxwell über ein paar unglaubliche botanische Entdeckungen gestolpert. Neunundneunzig Prozent der Pflanzen am Fuß dieses
Tepui
waren der Wissenschaft bis dahin vollkommen unbekannt. Die Expedition fand seltsame, primitive Farne und einblättrige Pflanzen, die aussahen, als wären sie aus dem Mesozoikum übriggeblieben. Obwohl Maxwell Anthropologe war, flippte er wegen dieser merkwürdigen Vegetation fast aus und ließ Kiste um Kiste mit den seltsamen Pflanzen füllen. Und dann fand Maxwell die Samenkapseln.«
»Und wie wichtig waren
die?
«
»Sie mußten von einem lebenden Fossil stammen. Vielleicht was in der Art wie der Quastenflosser, den man in den dreißiger Jahren entdeckt hat: Eine Gattung aus einer Ordnung, die man seit dem Karbonzeitalter für ausgestorben gehalten hat!«
»Sahen diese Samenkapseln wie Eier aus?« fragte Margo.
»Das kann ich nicht sagen. Aber Montague hat sie sich angesehen, und er sagte mir, daß sie sehr hart gewesen seien. Sie müßten tief in den sehr sauren Boden des Regenwalds sinken, um überhaupt zu keimen. Ich schätze, daß sie immer noch in den Kisten liegen.«
»Dr. Frock dachte, daß es Eier wären.«
»Frock sollte bei seiner Paläontologie bleiben. Er ist ein brillanter Kopf, aber für meinen Geschmack ein wenig zu sprunghaft. Nun, jedenfalls bekamen Maxwell und Whittlesey auf der Expedition Streit miteinander. Nicht ganz unerwartet, natürlich. Maxwell war eigentlich nicht an Botanik interessiert, aber er erkannte, daß der Fund der Samenkapseln eine Sensation war, und wollte mit ihnen auf dem schnellsten Weg zurück zum Museum. Dann bekam er mit, daß Whittlesey das
Tepui
ersteigen und die Kothoga suchen wollte, und das ließ bei ihm wohl sämtliche Alarmglocken schrillen. Er hatte Angst, daß die Kisten im Hafen beschlagnahmt werden würden und er seine kostbaren Samenkapseln nicht mehr außer Landes bringen könnte. Also trennten sie sich. Whittlesey ging tiefer hinein in den Dschungel, in Richtung auf das
Tepui,
und ward nie wieder gesehen.
Als Maxwell mit dem Rest der Expedition die Küste erreichte, schickte er eine wahre Flut von Telegrammen ans Museum, in denen er Whittlesey schwer belastete und seine Version der Geschichte erzählte. Später kamen er und die anderen Expeditionsmitglieder bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
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