Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
Glücklicherweise hatten sie die Kisten separat per Schiff nach New York geschickt, oder vielleicht sollte man besser sagen
unglücklicherweise
. Das Museum brauchte ein ganzes Jahr, um Licht in das Durcheinander zu bringen und die Kisten nach Hause zu holen. Niemand schien es damit allzu eilig zu haben.« Er verdrehte angewidert die Augen.
»Sie haben vorhin von jemandem namens Montague gesprochen«, sagte Margo ruhig.
»Montague«, erklärte Jorgensen und blickte an Margo vorbei, »war ein junger Doktorand am Museum. Für Anthropologie. Er war Whittleseys Schützling. Ich brauche wohl nicht extra zu betonen, daß das, was Maxwell in seinen Telegrammen über Whittlesey verbreitet hatte, Montague nicht besonders bei seiner Karriere half. Wir alle, die wir mit Whittlesey befreundet gewesen waren, hatten es danach nicht allzu leicht hier.«
»Was ist aus Montague geworden?« fragte Margo.
Jorgensen zögerte. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Er ist eines Tages einfach verschwunden und kam nie mehr zurück.«
»Und was ist mit den Kisten?«
»Montague hatte die Kisten unbedingt sehen wollen, besonders die von Whittlesey. Aber, wie ich schon sagte, er war in Ungnade gefallen und von dem Projekt abgezogen worden. Eigentlich
gab
es überhaupt kein Projekt mehr. Die ganze Expedition war so ein Desaster gewesen, daß die Museumsleiter alles, was damit zusammenhing, so rasch wie möglich vergessen wollten.
Als die Kisten schließlich hier ankamen, blieben sie einfach ungeöffnet liegen. Das meiste an Dokumentation und Fundortbeschreibungen war sowieso bei dem Flugzeugabsturz verbrannt. Angeblich gab es noch ein Tagebuch von Whittlesey, aber ich habe es nie zu Gesicht bekommen. Jedenfalls ließ Montague nicht locker und machte so lange Eingaben, bis sie ihn die Sachen wenigstens sichten und in den Sammlungskatalog aufnehmen ließen. Danach ging er einfach für immer fort.«
»Was meinen Sie damit genauer?« fragte Smithback.
Jorgensen sah ihn an, als müsse er sich entscheiden, ob er die Frage beantworten sollte oder nicht. »Er ist einfach aus dem Museum gegangen und nie wieder zurückgekommen. Soviel ich weiß, hat er auch seine Wohnung und seine Sachen einfach zurückgelassen. Seine Familie veranlaßte eine Suche nach ihm, die aber nichts ergab. Aber er war ohnehin ein ziemlich seltsamer Bursche. Die meisten Leute nahmen an, er sei nach Nepal oder Thailand abgehauen, um zu sich selbst zu finden.«
»Aber es gab auch Gerüchte«, sagte Smithback. Es war eine Feststellung, keine Frage.
Jorgensen lachte. »Natürlich gab es Gerüchte! Gibt es die denn nicht immer in einem solchen Fall? Man munkelte, er habe Geld unterschlagen, er sei mit der Frau eines Gangsters durchgebrannt, er sei ermordet und in den East River geworfen worden. Aber er war im Museum so eine kleine Nummer gewesen, daß die meisten Leute ihn nach ein paar Wochen vergessen hatten.«
»Gab es auch Gerüchte, daß das Museumsmonster ihn erwischt haben soll?« fragte Smithback.
Jorgensens Lächeln verschwand. »Nicht direkt. Aber die Gerüchte vom Fluch des Mbwun erwachten mit Montagues Verschwinden wieder zu neuem Leben. Bisher war jeder, so sagte man, gestorben, der mit den Kisten in Berührung gekommen war. Ein paar der Wachleute und die Angestellten in der Cafeteria – Sie kennen diese Sorte bestimmt – behaupteten, daß Whittlesey einen Tempel beraubt habe und daß in der Kiste irgendein Gegenstand mit einem schrecklichen Fluch sein sollte. Sie sagten, der Fluch sei dem Ding bis hierher ins Museum gefolgt.«
»Wollten Sie denn die Pflanzen, die Maxwell zurückgeschickt hatte, nicht untersuchen?« fragte Smithback. »Immerhin waren Sie doch Botaniker, oder nicht?«
»Junger Mann, Sie verstehen nichts von Wissenschaft. Es gibt keinen
Botaniker
per se. Ich habe zum Beispiel keinerlei Interesse an Paläobotanik oder bedecktsamigen Pflanzen. Solche Dinge gehören nicht zu meinem Forschungsfeld. Mein Spezialgebiet ist die Koevolution von Pflanzen und Viren. Oder
war
es zumindest«, sagte er nicht ohne eine gewisse Ironie.
»Aber Whittlesey wollte, daß Sie einen Blick auf die Pflanzenfasern werfen, die er als Verpackungsmaterial mit seiner Kiste zurückgeschickt hatte«, fuhr Smithback fort.
»Ich habe keine Ahnung, weshalb«, sagte Jorgensen. »Und außerdem höre ich heute zum ersten Mal davon. Ich habe diesen Brief ja nie zuvor gesehen.« Mit einem gewissen Zögern gab er Margo das Blatt Papier zurück. »Wenn die Handschrift
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