Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
längliches Gesicht ließ keinerlei Gefühlsregung erkennen.
Brambell legte einen Finger an seine Oberlippe. »Treten Sie doch bitte etwas heran«, sagte er mit einem weichen irischen Akzent, »dann sehen Sie besser, was ich Ihnen gern zeigen möchte.«
Nachdem die Anwesenden zögerlich der Aufforderung gefolgt waren, ergriff Dr. Brambell einen Zipfel der blauen Folie und zögerte noch einen Augenblick, wobei er wie unbeteiligt in die Runde blickte. Dann zog er die Folie mit einem entschlossenen Ruck weg.
Darunter kam ein weiteres, ebenfalls kopfloses Skelett zum Vorschein, dessen Knochen dieselbe braune Farbe aufwiesen wie die von Pamela Wisher. Schon auf den ersten Blick kam das Skelett Margo ziemlich seltsam vor, aber erst nach einer Weile wurde ihr der Grund bewußt, und sie hielt den Atem an: Die überdimensional verdickte n Beinknochen, die bizarren Verformungen der Gelenke – nichts war so, wie es sein sollte.
Was hatte das zu bedeuten?
Auf einmal klopfte es an der Tür.
»Na endlich«, knurrte D'Agosta und ging aufmachen. »Es wurde aber auch Zeit.«
Der Lieutenant öffnete die Tür, und Whitney Cadwalader Frock, der berühmte Evolutionsbiologe, kam in seinem Rollstuhl in den Raum gefahren. Ohne einen Blick auf die Versammelten zu verschwenden, rollte er direkt auf den Labortisch zu und betrachtete die beiden Leichen, wobei seine Blicke auf dem merkwürdig deformierten Skelett verharrten. Nach einer Weile wandte er sich ab und nickte D'Agosta und der Direktorin des Museums zu, wobei ihm eine Strähne seines buschigen weißen Haares auf die breite Stirn fiel. Als er Margo erblickte, huschte ein Ausdruck des Erstaunens über sein Gesicht, der sich aber gleich darauf in ein ehrlich erfreutes Lächeln verwandelte.
Margo lächelte zurück und nickte ihrem pensionierten Doktorvater zu, den sie seit seiner Abschiedsparty nicht mehr gesehen hatte. Dr. Frock hatte das Museum verlassen, um sich ganz seiner Forschung zu widmen und an der Fortsetzung seines berühmten Standardwerks »Die Fraktale Evolution« zu arbeiten, die aber bisher noch nicht erschienen war.
Dr. Brambell, der Frocks Erscheinen mit einem knappen Kopfnicken zur Kenntnis genommen hatte, fuhr nun fort. »Ich möchte Sie einladen«, sagte er freundlich, »sich die Kammbildung an den Langknochen sowie die Spikulabildung und die Osteophyten an der Wirbelsäule und den Gelenken anzusehen. Bemerkenswert sind auch die um zwanzig Grad verschobenen Trochanter am Hüftbein. Und dann beachten Sie bitte, daß die Rippen einen trapezoiden und nicht den üblichen prismatischen Querschnitt aufweisen. Schließlich möchte ich Ihre Aufmerksamkeit noch auf die enorme Verdickung der Oberschenkelknochen lenken. Alles in allem nicht gerade ein Adonis, finden Sie nicht auch? Und dabei habe ich Ihnen nur die auffälligsten Abweichungen gezeigt Den Rest können Sie ja selber sehen.«
D'Agosta atmete laut vernehmlich durch die Nase aus. »Und ob wir das können«, sagte er.
Frock räusperte sich. »Ich will zwar ohne eine genaue Untersuchung keine abschließende Meinung äußern, aber ich frage mich, ob Sie die Möglichkeiten in Betracht gezogen haben, daß wir es hier mit einem krassen Fall von DISH zu tun haben könnten.«
Der Leichenbeschauer musterte Frock, und zwar gründlicher als beim erstenmal. »Eine sehr intelligente Bemerkung«, sagte er, »aber leider absolut nicht zutreffend, Dr. Frock. Mein werter Kollege spricht von der Diffusen Idiopathischen Skelett-Hyperostose, einer besonders schweren Form degenerativer Arthritis, die hier aber keinesfalls in Betracht kommt«, Dr. Brambell hob abwehrend die Hand. »Auch Osteomalazie kann es nicht sein. Ein extrem schlimmer Fall von Skorbut wäre denkbar, aber so etwas kommt Ende des 20. Jahrhunderts eigentlich nicht mehr vor. Ich muß ganz offen sagen, daß ich vor einem Rätsel stehe, was den Zustand dieses Skeletts anbetrifft. Meine Mitarbeiter haben sämtliche medizinischen Datenbanken durchsucht und nichts gefunden, was auch nur annähernd als Erklärung dienen könnte.«
Brambell fuhr der Leiche mit seinen Fingern langsam und fast liebevoll an der Wirbelsäule entlang. »Ich möchte Ihnen nun ein paar ziemlich merkwürdige Spuren zeigen, die wir an beiden Skeletten gefunden haben. Dr. PadeIsky, würden Sie mir bitte das Mikroskop bringen?«
Der übergewichtige Mann im weißen Laborkittel verschwand nach hinten und rollte kurz darauf ein großes Stereomikroskop heran, dessen Objektive er direkt über dem
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