Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
bewegungslos stehen und sah den drei Männern hinterher, die raschen Schrittes zum Ausgang strebten. »Mist!« rief sie wütend und gab dem nächstgelegenen Stahlschrank frustriert einen kräftigen Tritt.
52
Snow sah auf die große Wanduhr. Es war Viertel nach zehn Uhr abends. Gelangweilt ließ der Polizeitaucher den Blick durch die menschenleere Einsatzzentrale gleiten, in der Ersatzluftflaschen und Regulatoren, eingerissene Flossen und Taucherbrißen in allen möglichen Größen herumlagen. Als er schließlich den Berg von unerledigten Papieren auf seinem Schreibtisch. sah, zuckte Snow innerlich zusammen. Seit seinem Tauchgang am Humboldt Kill hatte man ihn zum Schreibstubendienst abkommandiert – angeblich, um seine bakterielle Infektion der Lunge auszukurieren, aber Snow und alle seine Kollegen wußten nur zu gut, daß man ihn damit in Wirklichkeit aufs Abstellgleis geschoben hatte. Selbst die Tatsache, daß die Skelette, die er gefunden hatte, eine große kriminalpolizeiliche Untersuchung nach sich gezogen hatten, änderte nichts an der Tatsache, daß Snow mit seinem ersten Tauchgang sämtliche Felle davongeschwommen waren. Selbst Fernandez machte sich nicht einmal mehr die Mühe, ihn deswegen zu foppen.
Snow seufzte und blickte durch das schmutzige Fenster auf das verlassene Dock und das dunkle, im Mondlicht glitzernde Wasser. Der Rest der Truppe war am frühen Abend ausgerückt, um einen abgestürzten Hubschrauber aus dem East River zu bergen. Snow war hiergeblieben, hatte die Stellung gehalten und im Polizeifunk etwas von einer großen Demonstration gehört, die offenbar in eine Straßenschlacht ausgeartet war. Es kam ihm so vor, als wäre überall die Hölle los, nur bei ihm nicht.
Hier, in diesem abgelegenen Winkel der Docks von Brooklyn, war er allein mit einem Wust von Papierkram, den er bis morgen früh aufzuarbeiten hatte.
Mit einem neuen Seufzer wandte Snow sich wieder seinen Formularen zu. Er nahm einen Bericht vom Stapel und begann zu lesen. Es ging um einen toten Hund, den man aus dem Gowanus Kanal gefischt hatte.
Todesursache: Schußwunde.
Halter: Nicht ermittelbar. Fall zu den Akten. Snow nahm sich den nächsten Hefter vor. Randolf Rowell.
Selbstmörder. Alter: 22. Sprang von der Triborough Bridge. Abschiedsbrief wurde in der Hosentasche gefunden. Todesursache: Ertrinken. Fall zu den Akten.
Als Snow den Hefter weglegte, hörte er den Dieselmotor eines Bootes, das sich dem Dock näherte. So früh hatte er seine Kameraden gar nicht zurückerwartet. Aber dann erkannte der Taucher, daß der Motor anders klang als sonst, irgendwie lauter und heiserer zugleich. Vielleicht mußte er ja mal wieder neu eingestellt werden.
Das Boot legte an, und kurz darauf lief jemand über das hölzerne Dock und riß die Tür auf. Zwei Männer in schwarzen Taucheranzügen platzten in den Raum und sahen sich um.
Ihre Gesichter waren geschwärzt, und um ihre Hälse hingen wasserdichte Gummibeutel.
»Wo sind die Polizeitaucher?« bellte der erste der beiden Männer mit rauhem texanischem Akzent.
»Beim Hubschrauberabsturz im East River«, antwortete Snow.
»Sind Sie von der zweiten Abteilung?« Aber dann sah er aus dem Fenster und bemerkte erstaunt, daß am Dock nicht das gewohnte blau-weiß gestrichene Polizeiboot lag, sondern ein schnelles Motorboot, das ebenso schwarz war wie die beiden Männer.
»Alle?« fragte der Mann.
»Alle außer mir. Wer sind Sie?«
»Batman und Robin, Kleiner«, entgegnete der Texaner. »Wir brauchen jemanden, der uns den schnellsten Weg zum Sammelkanal an der West Side zeigt. Und zwar sofort«
Snow zuckte zusammen. »Ich werde gleich mal den Sergeant anfunken und ...«
»Dafür ist keine Zeit. Wie steht es mit Ihnen?«
»Na ja, ich weiß natürlich, wo die Kanalausgänge sind. Das gehört schon zur Grundausbildung eines jeden Polizeitauchers, denn schließlich ...«
»Können Sie uns dort hineinbringen?« unterbrach ihn der Mann brüsk.
»Sie wollen in den Kanal hinein?« fragte Snow erstaunt. »Das wird nicht so einfach sein. Vor den meisten Ausgängen sind Eisengitter, und manche sind viel zu schmal für einen ...«
»Sie sollen nur die Frage beantworten: Können Sie uns hineinbringen, ja oder nein?«
»Ich glaube schon«, erwiderte Snow, der dabei fast ins Stottern kam.
»Wie heißen Sie?«
»Snow. Offrcer Snow.«
»Folgen Sie uns zu unserem Boot, Officer Snow«
»Aber meine Preßluftflaschen und mein Anzug ...«
»Wir haben alles, was Sie brauchen. Ihre
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