Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
mit in den Untergrund zu gehen, oder über sich selbst, weil sie nicht in der Lage war, die gegebenen Tatsachen einfach zu akzeptieren. Sie dachte daran, wie lange ihr die Museumsmorde von vor achtzehn Monaten zu schaffen gemacht hatten, wie lange ihr die Erinnerung an die entsetzlichen Stunden im Keller des Museums den Schlaf und den Seelenfrieden geraubt hatten. Und jetzt dieser Mist hier. Als hätte sie nicht schon genug Probleme ...
Obwohl Margo wußte, daß Pendergast nur ihre Sicherheit im Auge gehabt hatte, konnte sie es einfach nicht verwinden, daß man sie zurückgelassen hatte. Ohne mich würden die jetzt immer noch im dunkeln tappen, dachte sie verbittert. Ich habe die Verbindung zwischen Mbwun und Whittlesey hergestellt.
Ich habe herausgefunden, was wirklich passiert ist. Hätte ich nur ein wenig mehr Zeit gehabt, dann hätte ich vielleicht auch noch herausgekriegt, was die anderen rätselhaften Fragmente von Kawakitas Labortagebuch bedeuten und weshalb ihm die Produktion von Vitamin D so wichtig gewesen ist.
Zumindest konnte sich Margo aber jetzt die Eintragung mit dem Thyoxin erklären. Wie auch den anderen Fragmenten des Tagebuchs zu entnehmen war, hatte Kawakita offenbar kurz vor seinem Tod massive Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns gehabt Vermutlich hatte er erkannt, daß die von ihm veränderte Droge zwar keine körperlichen Mißbildungen, dafür aber verheerende psychische Veränderungen hervorrief. Möglicherweise war ihm auch die Gefahr bewußt geworden, die für die Umwelt bestand, wenn die Pflanzen Kontakt mit Salzwasser bekamen. Auf jeden Fall schien er dazu entschlossen gewesen zu sein, das von ihm angerichtete Unheil wieder aus der Welt zu schaffen und die im Wasserreservoir angepflanzten liliceae mbwunensis mit dem Thyoxin zu vernichten. Vielleicht hatten die Kreaturen ja von seinem Vorhaben erfahren, was vielleicht sogar seine Ermordung erklären würde. Schließlich wollten die Wrinkler nicht, daß man die Pflanzen vernichtete, aus denen ihre Droge gewonnen wurde. Das alles aber erklärte noch immer nicht, weshalb Kawakita in seinem Labor Vitamin D synthetisiert hatte. Ob er es wohl für die Gensequenzierung gebraucht hatte? Aber so ein Verfahren war Margo gänzlich unbekannt...
Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie setzte sich auf und atmete tief durch. Greg wollte die Pflanzen vernichten, dachte sie, da bin ich mir ganz sicher. Und er wußte, daß ihn dieser Schritt in große Gefahr bringen würde.
Vielleicht war das Vitamin D ja gar keine Hilfschemikalie für die Produktion von Glaze, sondern ...
Mit einemmal begriff Margo alles.
Sie sprang auf die Beine und rannte zu den Schränken, aus denen sich Pendergast vorher bedient hatte. In Windeseile riß sie einige Ausrüstungsgegenstände heraus, die sie brauchte: Sauerstoffmaske, Nachtsichtbrille und ein paar Schachteln mit Neun-Millimeter-Hohlmantelgeschossen für ihre halbautomatische Pistole.
Nachdem sie alles in ihrer Umhängetasche verstaut hatte, hastete sie schwer atmend in den anderen Raum.
Irgendwo muß es ja sein, dachte sie, während sie durch die langen Reihen von Regalen lief. Vor einem der Fächer blieb sie kurz stehen und nahm sich drei leere Ein-Liter-Spritzflaschen mit Schraubverschlüssen. Sie stellte sie neben ihre Umhängetasche auf den Boden und griff sich aus einem anderen Regal mehrere Kanister mit destilliertem Wasser. Dann setzte sie ihre Suche fort, bis sie schließlich am Ende des Raumes auf ein Regal voller Arzneimittel stieß. Rasch las sie die Etiketten der kleinen Dosen, fand, wonach sie gesucht hatte, und rannte zurück zu ihrer Umhängetasche.
Dort kniete sie sich hin, öffnete die Pillendosen und schüttete ihren Inhalt auf den Fußboden. »Was für eine Konzentration, Greg?« fragte sie laut, während sie die Tabletten mit Hilfe einer der Dosen zu Pulver zerstieß.
Dieses verteilte sie dann gleichmäßig auf die drei Plastikflaschen, die sie mit destilliertem Wasser auffüllte und kräftig schüttelte. Zwar hatte sich nicht alles Pulver gelöst, aber Margo hatte keine Zeit mehr.
Als sie aufstand, klapperten die leeren Pillendosen über den Kachelboden.
»Wer ist da?« rief der Agent, der draußen an seinem Tisch saß.
Margo hatte ihn völlig vergessen. Rasch steckte sie die Flaschen in ihre Tasche, hängte sie sich über die Schulter und ging zum Ausgang.
»Tut mir leid«, erklärte sie. »Ich war ganz in Gedanken versunken und habe gar nicht bemerkt, daß die anderen schon fort
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