Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
Cartoon von Charles Addams entsprungen. Das Verrückteste an dem Haus war jedoch sein schiefergedecktes Dach, aus dem eine Unzahl von Kaminen, Türmen und Türmchen mit Kupferhauben in den Himmel ragten. Fehlt nur noch eine Dachterrasse, dachte Hayward, oder vielleicht wären Zinnen und Schießscharten ja noch passender. Dieses Dakota wurde seinem seltsamen Namen vollauf gerecht.
Hayward steuerte eine Art Wachhäuschen in einem hohen, bogenförmigen Durchgang an und meldete sich dort beim Portier, der ihren Namen notierte und einen Anruf tätigte. »Gehen Sie in den Innenhof, und fahren Sie mit dem Aufzug in der südwestlichen Lobby in den fünften Stock«, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte, und erklärte Hayward den Weg.
Nachdem sie durch den langen, dunklen Durchgang in einen großen Innenhof gelangt war, blieb sie kurz stehen und betrachtete den leise vor sich hin plätschernden bronzenen Brunnen, der so gar nicht ins hektische Manhattan passen wollte.
Dann wandte sie sich nach rechts und steuerte in eine kleine Eingangshalle, wo sie mit einem Aufzug in den fünften Stock fuhr.
Oben angekommen, trat Hayward hinaus in einen mit dunklem Holz getäfelten Flur. Als sich die Tür des Aufzugs hinter ihr schloß, befand sie sich auf einmal in völliger Finsternis.
Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob sie vielleicht im falschen Stockwerk ausgestiegen war, dann hörte sie etwas rascheln und griff instinktiv nach ihrem Dienstrevolver.
Eine Tür öffnete sich, und ein schwacher Lichtschein fiel in den kleinen Vorraum. »Sergeant Hayward, wie schön, daß Sie da sind. Kommen Sie doch bitte herein«, sagte eine Stimme, die Hayward immer und in jeder Situation als die von Special Agent Pendergast erkannt hätte.
Pendergast bat Hayward in ein nicht allzu großes Zimmer, das durch seine hohe Decke und die muschelförmigen Bronzelampen mit hauchdünnen Achatscheiben sehr elegant wirkte. Drei Wände waren in dunklem Altrosa gestrichen und mit schwarzem Stuck verziert, während die vierte zur Gänze aus schwarzem Marmor bestand, über den auf seiner gesamten Fläche eine dünne Schicht Wasser floß und unten mit einem leisen Gurgeln in einem kleinen Rost am Fuß der Wand verschwand.
Die Installation vermittelte den Eindruck von lebendigem, sich bewegendem Glas. Im Raum verteilt standen ein paar kleinere Ledersofas, deren Füße in einem dicken Teppich versanken.
An den Wänden hingen ein paar Bilder, und auf glänzenden Lacktischchen standen kleine, seltsam verdreht und knorrig aussehende Pflanzen. Nirgends in dem makellos sauberen Raum war auch nur das geringste Staubkörnchen zu sehen.
Obwohl Hayward klar war, daß das nicht die ganze Wohnung sein konnte, gelang es ihr nicht, an einer der Wände auch nur die Spur einer Tür zu entdecken.
»Setzen Sie sich doch, Ms. Hayward«, sagte Pendergast. »Darf ich Ihnen vielleicht eine kleine Erfrischung anbieten?«
»Nein, danke«, erwiderte Hayward und wählte das Sofa, das der Tür am nächsten stand. Nachdem sie sich in das leise knarzende schwarze Leder hatte sinken lassen, betrachtete sie das impressionistische Gemälde an der Wand gegenüber. Es stellte mehrere Heuhaufen im rötlichen Licht eines Sonnenuntergangs dar und kam ihr irgendwie bekannt vor. »Eine schöne Wohnung haben Sie«, sagte sie. »Obwohl das Haus auf den ersten Blick ja ein wenig unheimlich wirkt.«
»Wir Bewohner bezeichnen es lieber als exzentrisch«, sagte Pendergast, »obwohl die meisten Leute wohl eher Ihre Meinung teilen dürften. Wissen Sie übrigens, weshalb es Dakota heißt? Ganz einfach: Im Jahr 1888, als es erbaut wurde, lag es so weit draußen vor der Stadt, daß die Leute diese Gegend im Scherz mit den Indianerterritorien im Westen verglichen. Ich schätze an diesem Haus seine Solidität, die mir ein Gefühl von Beständigkeit vermittelt. Immerhin hat es fast achtzig Zentimeter dicke Grundmauem und steht auf massivem Felsgestein. Aber ich schweife ab. Schließlich sind Sie nicht hier, um mit mir über die Architektur des 19. Jahrhunderts zu plaudern. Ehrlich gesagt bin ich froh, daß Sie meiner Einladung überhaupt gefolgt sind.«
»Machen Sie Witze?« fragte Hayward. »Wer wird schon die Gelegenheit ausschlagen, Special Agent Pendergasts heilige Hallen zu besichtigen? Sie sind schließlich so was wie eine Legende bei der Polizei von New York.
Behaupten Sie jetzt bloß nicht, daß Ihnen das nicht bekannt ist.«
»Sie schmeicheln mir, Ms. Hayward«, erwiderte Pendergast und
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