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Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens

Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens

Titel: Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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Auch hier war der geradezu chirurgisch saubere Schnitt am Lendenwirbel angebracht worden, danach hatte jemand die Wirbelsäule geöffnet. Rätselhaft. Sie verstaute einen der verstümmelten Wirbel in der Tasche ihres Kostüms.
    Und so ging es weiter, Nische um Nische, in jeder die sterblichen Überreste von drei zerstückelten Körpern – Kopf, Rücken, Brustkorb, Becken und Beine voneinander getrennt. Bei einigen Schädeln entdeckte Nora die Kratzspuren, die ihr schon in ihrem Büro aufgefallen waren. Alle Skelette wiesen schwere Verletzungen an der unteren Wirbelsäule auf. So weit sie das nach einer flüchtigen Untersuchung der Schädelmorphologie beurteilen konnte, schienen alle Toten etwa im gleichen Alter gewesen zu sein: zwischen dreizehn und zwanzig Jahren. Einige Mädchen waren darunter, aber die meisten waren männlichen Geschlechts.
    Es hätte sie interessiert, welche Erkenntnisse der Amtsarzt bei der Untersuchung der Leichen gewonnen hatte. Vielleicht ergab sich später die Möglichkeit, ihn danach zu fragen. Zwölf Nischen, in jeder drei Leichen – das sah nach einem Plan aus.
    An der vorletzten Nische angekommen, blieb sie plötzlich mitten im Tunnel stehen. Sie versuchte, nahe liegende Schlussfolgerungen zu verdrängen und sich strikt an die Fakten zu halten. Sie wusste von ihrer archäologischen Arbeit, wie wichtig es ist, einen Augenblick innezuhalten, still in sich hineinzuhorchen, den Intellekt auszuschalten und sich ganz auf die Intuition zu verlassen. Sie ließ den Blick in die Runde schweifen, versuchte, die tickende Uhr zu vergessen und sich nicht von irgendeiner vorgefassten Meinung beeinflussen zu lassen. Ein Kellerstollen aus der Zeit vor 1890, Nischen, die ursprünglich sorgfältig zugemauert worden waren, und darin die Leichen und die Kleidung von sechsunddreißig jungen Burschen und Frauen. Warum war der Tunnel gebaut worden? Sie sah sich nach Pendergast um. Er hielt sich am anderen Ende des Stollens auf und kratzte offenbar mit dem Messer etwas Mörtel von den aufgestapelten Steinen ab.
    Sie ging zur nächsten Nische und setzte ihre Arbeit fort. Genau wie bei den anderen notierte sie sich die Position der Knochen und der Kleidungsstücke. Zwei Schürzenkleider,die Taschen waren leer. Und ein drittes Kleid: schmutzig, zerrissen, ein Armeleutekleid. Es musste einem schlanken jungen Mädchen gehört haben. Nora griff nach dem Schädel, der daneben lag. Ein Teenager, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Es erschütterte sie, als sie das lange, goldblonde Haar sah, das von dem Schädel herabhing. Sogar das pinkfarbene Samtband, das das Haar zusammenhielt, war noch erhalten. Die Untersuchung des Schädels zeigte, dass das Gebiss auch bei diesem Mädchen in jämmerlichem Zustand war. Sechzehn Jahre, und schon ein derart verrottetes Gebiss. Der Kontrast zwischen dem Samtband und dem ärmlichen Kleid war auffallend, das Band musste das Kostbarste gewesen sein, was das Mädchen besaß. Ein anrührender Beweis dafür, dass die menschliche Natur über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte im Grunde unverändert bleibt. Der Gedanke schnürte ihr für einen Moment die Kehle zu.
    Als sie nach der Tasche des Kleides tastete, knisterte etwas unter ihren Fingern. Papier. Sie griff den Stoff ab, merkte aber bald, dass das Papier nicht in einer Tasche steckte, sondern in den Saum eingenäht worden war. Sie zog das Kleid näher zu sich heran.
    »Irgendetwas Interessantes, Dr. Kelly?«
    Sie zuckte zusammen. Der Amtsarzt, der diesmal in arrogantem Tonfall gesprochen hatte. Van Bronck schielte ihr über die Schulter.
    Sie war so in ihre Untersuchung vertieft gewesen, dass sie seine Schritte nicht gehört hatte. Von Pendergast konnte sie keine Unterstützung erwarten, der diskutierte am Tunneleingang mit einer Gruppe Uniformierter.
    »Ich habe mich erkundigt«, fuhr van Bronck fort. »Zum amtsärztlichen Dienst gehören Sie nicht. Also müssen Sie in der forensischen Abteilung des FBI beschäftigt sein.«
    Nora wurde rot. »Ich habe meinen Doktor nicht in Medizin gemacht, ich bin Archäologin.«
    Broncks Augenbrauen wölbten sich, ein spöttisches Lächelnzerfloss auf seinem Gesicht. »Ah, keine Medizinerin? Dann habe ich Ihren Kollegen wohl vorhin missverstanden. Archäologie – na ja, ist ja auch was Hübsches.«
    Eine Stunde, hatte Pendergast ihr versprochen, und von der war nicht mal die Hälfte vergangen. Sie legte das Kleid in die Nische zurück und schob es so unauffällig wie möglich nach

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