Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
Vorkriegsbau, ohne architektonische Raffinesse, aber das kümmerte ihn nicht. Für ihn zählten die garantierte Festmiete, die Aufteilung der Zimmer, die Nähe zum Museum und die Monatsmiete von lediglich achtzehnhundert Bucks. Er trat ein paar Schritte zurück und ließ den Blick über die Nachbarschaft schweifen. Nicht gerade die Schokoladenseite der Upper West Side, aber günstig gelegen.
An der Veranda vor dem Haus nebenan lehnten zwei Stadtstreicher,Pappbecher in der Hand. Smithback sah auf die Armbanduhr, Nora musste jeden Moment kommen. Sie würde sowieso Einwände machen, und wenn sie dann noch die beiden Typen entdeckte … Besser, die Jungs zogen für eine Weile Leine. Er kramte in der Jackentasche, förderte fünf Dollar zutage und schlenderte zu den beiden hinüber. »Schöner Tag, wenn’s nicht gerade regnet.«
Die Tippelbrüder musterten ihn misstrauisch.
Smithback winkte mit dem Fünfer. »Jungs, was haltet ihr davon, wenn ihr euch irgendwo was zu essen kauft?«
Einer der beiden entblößte grinsend sein ziemlich schadhaftes Gebiss. »Für fünf Bucks? Dafür krieg ich nicht mal ’nen Sechserpack Bier. Außerdem tun mir die Beine weh.«
»Genau«, nuschelte der andere, während er in der Nase herumbohrte.
Smithback hielt ihnen einen Zwanziger hin.
»O Mann, wenn mir bloß die Beine nicht so wehtäten.«
»Greift zu oder lasst’s bleiben.«
Sie griffen zu, kamen unter herzzerreißendem Stöhnen und Ächzen auf die Beine, schlurften los und waren kurz darauf um die Ecke verschwunden. Und im selben Moment kam die Maklerin angestöckelt, gertenschlank, im dunklen Kostüm. »Sie sind bestimmt Mr. Smithback?«, schnarrte sie mit rauer Raucherstimme und gab ihm die Hand. »Ich bin Millie Locke. Ist Ihre … Lebensgefährtin schon da?«
»Da kommt sie«, sagte Smithback erleichtert. Nora bog mit wehendem Regenmantel, den Rucksack über der Schulter, winkend um die Ecke.
»Schön, Sie kennen zu lernen.« Noch mal Händeschütteln, dann führte die Maklerin sie in die winzige Lobby und drückte auf den Fahrstuhlknopf. Irgendwo über ihnen rumpelte es beängstigend.
»Die Lage ist ideal«, redete Smithback auf Nora ein. »Zwanzig Minuten zu Fuß zum Museum, nicht weit zur U-Bahn, und zum Park sind’s auch nur anderthalb Blocks.«
Nora sagte nichts. Sehr begeistert sah sie nicht aus.
Die Fahrstuhltür schwang mit jämmerlichem Quietschen auf, und der Lift setzte sich nach einem neuerlichen Knopfdruck quälend langsam in Bewegung. Smithback beschlich das ungute Gefühl, dass die Besichtigung unter keinem günstigen Stern stand.
Endlich kamen sie im sechsten Stock an, tappten den halb dunklen Flur hinunter und machten schließlich vor einer braunen Metalltür mit eingelassenem Türspion Halt. Die Maklerin schloss vier separate Schlösser auf und winkte sie herein.
Smithback war angenehm überrascht. Die Wohnung lag zur Straßenseite und machte einen sauberen Eindruck. Eichenholzparkett, etwas verzogen, aber immerhin Eiche. Eine Wand im Backsteinlook, die anderen mit Raufaser tapeziert. »Na, was denkst du?«, fragte er strahlend. »Schnuckelig, nicht wahr?«
»Ein einmaliges Schnäppchen«, säuselte die Immo-Millie.
»Eins acht Festmiete, voll klimatisiert, großartige Lage, hell und ruhig.«
Die Installationen in der Küche waren alt, aber blitzblank. Das Schlafzimmer lag nach Süden, das Sonnenlicht ließ den Raum groß und geräumig erscheinen. Im Wohnzimmer fing Smithback ein bisschen zu drängeln an. »Also, Nora, was meinst du?«
Ihre gerunzelte Stirn verhieß nichts Gutes. Die Maklerin zog sich diskret bis zur Tür zurück.
»Ja, ganz hübsch«, murmelte Nora.
»Ganz hübsch? Eins acht pro Monat für eine Wohnung an der Upper West Side? Das ist sagenhaft.«
Millie räusperte sich. »Sie sind die Ersten, denen ich das Objekt zeige. Ich wette, bis heute Abend ist es vermietet.« Sie fummelte in ihrem Handtäschchen, kramte eine Zigarette heraus, zündete sie an und fragte: »Ich darf doch wohl?«
Smithback trat nervös von einem Bein aufs andere. »Mit deinem Vermieter hast du sicher schon gesprochen, Nora?«
»Nein, noch nicht.«
Er starrte sie entgeistert an. »Noch nicht?«
Sie schüttelte den Kopf und blickte ostentativ aus dem Fenster. »Weißt du, das ist ein großer Schritt für mich. Mit dir zusammenzuziehen, meine ich …«
Smithback schielte zu Millie hinüber, die aber rasch wegsah und angelegentlich den Türrahmen betrachtete. Smithback senkte die Stimme. »Du liebst
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