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Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens

Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens

Titel: Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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mindestens vierzig.
    Schließlich brach Pendergast seine Wanderungen ab, steckte das Notizbuch weg und sagte: »Ich glaube, ich bin so weit.«
    »Ich wär’s auch«, erwiderte Corrie mit schnippischem Unterton, »aber ich habe leider keine Ahnung, worum es geht.«
    Pendergast ging in die Knie und sammelte seine Unterlagen ein. »Haben Sie schon mal den Begriff ›Palast der Erinnerungen‹ gehört?« Und als Corrie den Kopf schüttelte:
    »Er umschreibt eine mentale Übung, eine Art von Gedächtnisschulung, die schon von dem griechischen Dichter Simonides erwähnt wird. Ursprünglich wurde die Technik von chinesischen Gelehrten entwickelt. Dank Matteo Ricci, der in seinen Vorlesungen darüber doziert und sie verfeinert hat, wurde sie im späten fünfzehnten Jahrhundert allmählich zu einem Bestandteil des europäischen Gedankenguts. Ich selbst bediene mich einer vergleichbaren Technik, angereichert mit Elementen des Chongg Ran – der ursprünglich bhutanischen Meditationskunst. Ich nenne das ›Eintauchen in die Vergangenheit‹.«
    »Tut mir Leid, ich komme nicht mehr ganz mit.«
    »Nun, ich versuche, es mal einfacher zu erklären: Durch intensive Beschäftigung mit den Fakten, gefolgt von intensiver Konzentration, gelingt es mir, mich im Geiste an einen bestimmten Ort und in eine bestimmte Zeit zu versetzen.«
    »Aha, eine Art Zeitreise?«
    »So würde ich es nicht nennen, denn ich bewege mich natürlich nicht in der Zeit. Ich versuche vielmehr, mich geistig an einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu versetzen und so Erkenntnisse und Einsichten zu gewinnen, zu denen ich auf andere Weise keinen Zugang hätte. So können Wissenslücken geschlossen und wichtige Daten genauer bestimmt werden. Und genau das führt zu Erkenntnissen, die ohne das ›Eintauchen in die Vergangenheit‹ vage Vermutungen bleiben müssten.« Er zog das Jackett aus, faltete es sorgfältig zusammen und streckte sich der Länge nach auf dem Grasboden aus. »Solange wir nichts Genaues über die Hintergründeder Mordserie in Medicine Creek wissen, werden wir keinen Schritt weiterkommen.«
    Der Blick, mit dem Corrie ihn musterte, war eine Mischung aus Neugier, Skepsis und Besorgnis. »Und das wollen Sie jetzt versuchen?«
    »Ja.« Pendergast lag, die gefalteten Hände auf der Brust verschränkt, reglos da wie ein Toter.
    »Und was habe ich dabei zu tun?«
    »Sie halten sozusagen Wache. Wenn Sie etwas Ungewöhnliches sehen oder hören, wecken Sie mich auf. Rütteln Sie mich kräftig, das hilft sofort.«
    »Aber…«
    »Hören Sie die Vögel zwitschern? Und die Grillen zirpen? Sobald die Laute verstummen, müssen Sie mich ebenfalls aufwecken. Und noch etwas: Wenn ich nach einer Stunde noch nicht in die Gegenwart zurückgekehrt bin, müssen Sie mich auf alle Fälle wachrütteln. Das sind die drei Bedingungen unter denen ich aufgeweckt werden möchte. Nur diese drei, sonst nichts. Haben Sie mich klar verstanden?«
    »Na ja, so kompliziert war’s ja nicht.«
    Corrie beobachtete ihn irritiert. Wenn sie so dagelegen hätte – auf dem Rücken, mit angewinkelten Armen –, hätte sie an nichts anderes als an den harten Boden, piksende Äste und krabbelnde Ameisen denken können!
    »Ach, noch etwas«, fiel ihr ein, »in welche Vergangenheit versetzen Sie sich denn?«
    »Ich versetze mich an den Abend des vierzehnten August 1865.«
    »Den Abend, an dem die Geisterkrieger das Massaker angerichtet haben? Aber warum? Was hat das mit der Mordserie zu tun.«
    »So viel ist mir klar: Das eine muss etwas mit dem anderen zu tun haben. Nun hoffe ich herauszufinden, welchen Zusammenhang es da gibt. Solange wir den tieferen Grund für die Morde nicht kennen, wird es weitere Tote geben. Also mussich mich auf eine anstrengende und vielleicht sogar gefährliche Reise in ein unbekanntes Terrain begeben. Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen, es ist keine Reise, die ich physisch antrete, ich unternehme sie nur im Geiste.«
    »Aber ich verstehe nicht…« Sie verschluckte den Rest des Satzes. Was sie Pendergast auch fragen mochte, seine Antworten würden sie nicht schlauer machen.
    »Sind wir fertig, Miss Swanson?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Dann bitte ich mir von jetzt an absolute Stille aus.«
    Pendergast lag reglos da, sie hatte den Eindruck, dass er sogar nicht mehr atmete. Das gleißende Nachmittagslicht fiel durch den Filter der Baumwipfel, vereinzelte Vögel zwitscherten, die Grillen zirpten, am Horizont zuckten die lautlosen Blitze – alles schien

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