Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
Schmerzensschreie hörte er nicht.
»Hol sie zurück, Lefty«, sagte Hazen enttäuscht.
Lefty pfiff leise durch die Zähne. »Sturm! Drang! Kommt zurück.«
Die Hunde reagierten nicht. Hazen hörte sie weiter knurren und hecheln, im Geiste sah er, wie ihnen die großen Zungen schlabbernd aus dem Maul hingen. Endlich, nachdem Lefty sie abermals zurückgerufen hatte, kamen sie widerstrebend angetrottet. Im rötlich verhuschten UV-Licht sahen sie wie leibhaftige Höllenhunde aus.
Hazen war enttäuscht. Offensichtlich hatte McFelty das Weite gesucht und das Höhlensystem verlassen. Trotzdem, die Aktion war kein Reinfall gewesen, ganz im Gegenteil. Wenn sie morgen die tiefer gelegenen Höhlen gründlich absuchten, würden sie, davon war er überzeugt, jede Menge Spuren finden, die bewiesen, dass McFelty hier gewesen war – Fingerabdrücke, Material für DNA-Analysen und den grausigen Fund im Destillationskessel: Stotts Ohr. Damit lag es auf der Hand, dass McFelty etwas mit den Serienmorden zu tun haben musste, und sobald ihm das selber klar wurde, würde er versuchen, Lavender als Hauptschuldigen hinzustellen, damit er auf ein milderes Urteil hoffen konnte.
Hazen gab sich einen Ruck. »Okay, mal sehen, was wir da drin finden.«
Sie drangen in die dritte Höhle ein. Sie war kleiner als die beiden, die hinter ihnen lagen, und – Hazen stockte vor Verblüffung der Atem –, sie hatte allem Anschein nach als Schlafquartier gedient. An der Felswand stand ein Bett. Die Matratze war so verrottet, dass die nackten Sprungfedern aus dem Bezug ragten. Und sie war so schmal und kurz, dass es sich nur um ein Kinderbett handeln konnte. Auch die halb aus dem Rahmen gebrochenen Bilder über dem Bett – das eine zeigte einen Apfelbaum, das andere einen Clown –, das herumliegende, teils zerbrochene Kinderspielzeug und einige schmutzige Kleidungsstücke sprachen für diese Annahme. Nur, welches Kind konnte hier unten übernachtet haben?
Hazen schüttelte ratlos den Kopf. Dann zog er mit einemRuck die Hose hoch und fischte eine Camel aus der Tasche. »Sieht so aus, als wäre uns der Vogel davongeflattert. Wir müssen ihn wohl um Haaresbreite verpasst haben«, murmelte er missmutig vor sich hin.
Raskovich war genauso verblüfft. »Was hat das alles zu bedeuten?« Er leuchtete mit der Stablampe die Höhle aus.
Hazen zündete die Zigarette an und ließ das ausgeblasene Streichholz in der Hosentasche verschwinden. »Ich nehme an, dass der alte Krempel noch aus der Zeit der Schwarzbrennerei stammt.« Und nachdem er einen tiefen Zug genommen hatte, fügte er etwas übergangslos hinzu: »Da hinten im Kessel liegt übrigens Stotts Ohr.«
Die Männer des Einsatzkommandos sahen ihn betroffen an, keiner sagte etwas. Hazen spürte, dass er ihnen ein paar aufmunternde Worte schuldig war.
»Ihr habt gute Arbeit geleistet. Wir haben Beweise dafür gefunden, dass der Mörder sich hier unten aufgehalten und Stott im Destillationskessel zu Tode gesotten hat. Damit haben wir unseren Auftrag erfüllt, unser Ziel war von Anfang an, Beweise zu finden. Wir können mit Stolz sagen, dass uns zur Aufklärung der Serienmorde ein entscheidender Durchbruch gelungen ist.«
Die Männer murmelten zustimmend, was die Hunde sofort wieder zu kehligem Knurren veranlasste.
»Morgen fordern wir beim Gerichtsmediziner einen forensischen Suchtrupp an. Die Jungs werden die Höhlen gründlich unter die Lupe nehmen.« Er nahm noch einmal einen tiefen Zug von seiner Zigarette, dann trat er sie aus und schob auch den Stummel in seine Hosentasche. »Ich denke, wir haben unsere Arbeit heute Nacht getan. Gehen wir nach Hause!«
Als er sich umdrehen wollte, fiel ihm auf, dass die Hunde wie verrückt an ihren Leinen zerrten. Offenbar hatten sie in dem schmalen Durchlass eine neue Witterung aufgenommen. Lefty versuchte, sie zurückzuhalten, er befahl ihnen einums andere Mal: »Sturm! Drang! Sitz!« Aber die Hunde gaben keine Ruhe.
»Verdammt, Lefty«, redete Hazen dem Hundeführer zu, »lass sie doch nachsehen!«
Als Lefty ihre Leinen locker ließ, stürmten beide Hunde gierig hechelnd in die Engstelle. Dem Hundeführer blieb nichts anderes übrig, als ihnen stolpernd und fluchend zu folgen. Sekunden später war das Dreiergespann vom Dunkel verschluckt. Hazen folgte ihnen neugierig und versuchte, irgendetwas auszumachen. Viel konnte er nicht erkennen, nur, dass der Durchlass nach wenigen Metern im rechten Winkel abknickte und der Felsboden leicht abfiel. Auf den ersten
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