Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
einen Metalldetektor halten.«
»Da wir gerade davon sprechen: Glauben Sie an Geister?«
Corrie schnaubte geringschätzig. »Sie wollen mir doch nicht im Ernst weismachen, dass Sie an wandelnde Leichen glauben, die dazu verdammt sind, bis ans Ende aller Tage ruhelos umherzuwandern und nach ihren Skalps und Stiefeln zu suchen?«
Pendergast blieb ihr die Antwort schuldig. Er schulterte das Gerät und marschierte los. Nach wenigen Minuten tauchten sie in den Schatten der Bäume ein, wo eine schwache Brise wehte und das Blätterdach zumindest eine Ahnung von der nächtlichen Abkühlung gespeichert hatte. Ein paar Minuten später erreichten sie die Hügel. Das karge Gras und Gestrüpp, das sie überzog, hätte Ortsunkundige nie vermuten lassen, dass sich unter den sanften Rundungen gewachsener Fels verbarg.
Pendergast setzte das Gerät ab und schaltete es ein. Fast augenblicklich war ein leiser Heulton zu hören, der, sobald der Agent die Peilrichtung änderte, an-oder abschwoll. Pendergast langte in die Tiefen der Innentaschen seines Jacketts, zog ein orangefarbenes Fähnchen heraus und steckte es vor sich in den Boden. Dann kramte er aus einer anderen Tasche ein handliches Gerät, kaum größer als ein Mobiltelefon, und drehte es hin und her.
»Was ist das?«, fragte Corrie.
»Ein GPS-Aggregat. Ein Gerät zur Positionsbestimmung via Satellit.«
Er las etwas vom Display ab und notierte es in dem in Leder gebundenen Büchlein, das er anscheinend überall mit sichherumschleppte. Dann hielt er die Rundantenne des Detektors dicht über den Boden und veränderte seinen Standort Zentimeter um Zentimeter nach Norden. Corrie, neugierig geworden, heftete sich an seine Fersen. Der Metalldetektor fing laut zu jaulen an.
Pendergast ging in die Knie, schabte mit dem Klappmesser die oberste Erdschicht ab und hatte innerhalb weniger Sekunden eine kupferne Pfeilspitze bloßgelegt.
»Wow!«, machte Corrie begeistert und kauerte sich neben Pendergast auf den Boden. »Stammt die etwa von Indianern? Ich dachte immer, die hätten ihre Pfeilspitzen aus Feuerstein gemacht?«
»Zunächst war das so, aber ab 1865 haben sie mit Metallspitzen gearbeitet, und ab 1870 hatten sie Flinten. Diese Pfeilspitze passt exakt in den Zeitraster.«
Corrie wollte nach der Pfeilspitze greifen, aber der Agent fing ihre Hand ab. »Die wollen wir lieber im Boden stecken lassen.« Und mit leiser Stimme fügte er hinzu: »Haben Sie bemerkt, in welche Richtung sie zeigt?«
Er machte sich abermals ein paar Notizen, zog wieder ein Fähnchen aus dem Jackett und markierte die Fundstelle. Dann richtete er sich auf und setzte die Suche fort. Nach knapp zweihundert Metern schlug der Detektor wieder laut an. Pendergast legte vorsichtig eine Gewehrkugel frei, eines jener Vollprojektile, die um das Jahr 1970 als letzter Schrei gegolten hatten. Er deckte sie wieder mit Erde zu.
»Wollen Sie den Fundort nicht markieren?«, fragte Corrie enttäuscht. »Ist das kein historisches Relikt?«
»Schon richtig, aber erst für Archäologen späterer Generationen.«
Sie gingen weiter, der Detektor jaulte in immer kürzeren Abständen. Meistens waren Pfeilspitzen oder Gewehrkugeln die Ursache, einmal war es auch ein rostiges Messer. Corrie fiel auf, dass die Miene des Agent immer nachdenklicher wurde. Sie konnte ihm das nachfühlen, sie fragte sich inzwischenselber, warum sie sich anfangs so viel von dieser Schatzsuche versprochen hatte. Und schließlich platzte sie damit heraus.
»Ich frage mich seit geraumer Zeit, was diese alten Fundstücke mit den aktuellen Morden zu tun haben? Es sei denn, Sie halten die Geister der Fünfundvierzig für die Täter. Vielleicht haben sie sich zu einem kollektiven Racheakt verschworen?«
»Eine interessante Theorie«, sagte Pendergast. »Bislang konnte ich keinen Zusammenhang zwischen den Morden und dem Fluch der Fünfundvierzig erkennen. Andererseits, Sheila Swegg wurde umgebracht, als – oder weil – sie hier Grabungen vorgenommen hat. Und Gasparilla hat hier Eichhörnchen gejagt. Und wie Sie mir erzählt haben, wird in der Stadt gemunkelt, der Mörder sei der Rachegeist von Harry Beaumont. Da fallen einem natürlich Beaumonts abgeschnittene Stiefel und seine geschälten Fußsohlen ein.«
»Nehmen Sie solche Schauergeschichten etwa für bare Münze?«, fragte Corrie verblüfft.
Pendergast lächelte. »Nein. Ich glaube nicht, dass hinter den Morden Beaumonts Geist steckt, aber die Tatsache, dass hier so viele Indianerpfeile und
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