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Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens

Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens

Titel: Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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und Dale Estrem mit seinen Freunden von der Farmergenossenschaft. Sogar Sheriff Hazen war gekommen samt seinem rundlichen, pausbäckigen Sohn. Die verkniffenen Mienen der beiden entlarvten sie als Gelegenheitskirchgänger. Aha, und da hinten in der Ecke stand Pendergast, neben sich Corrie Swanson im üblichen Outfit: feuerrote Stachelfrisur, schwarz angemalte Lippen und mit Silberketten behängt. Die beiden waren wirklich ein ungleiches Gespann. Smit Ludwig legte sich schon mal das Notizbuch und den Stift bereit.
    Ein Raunen ging durch die Reihen, Reverend Wilbur schritt in seinem typischen Watschelgang zum Altar. Der Gottesdienst begann wie immer mit einem Lied, dem Tagesgebet und der Lesung des Tages. An den erwartungsvollen Gesichtern war abzulesen, wie ungeduldig alle auf die Predigt das Pastors warteten. Die Luft knisterte förmlich, als sei sie elektrisch aufgeladen. Auch Ludwig war gespannt, wie Wilbur auf die besondere Situation eingehen würde. Hoffentlich wusste er, dass die Gemeinde ihn noch nie so dringend gebraucht hatte wie heute.
    Und dann war es so weit, Wilbur stieg zur Kanzel hoch, hüstelte zweimal, schürzte die schmalen Lippen und legte sich unauffällig einige gelbe Zettel mit Stichworten bereit.
    »An diesem Morgen fallen mir zwei Zitate ein«, sagte er und ließ den Blick über die versammelte Gemeinde schweifen.
    »Das eine stammt natürlich aus der Bibel, das andere aus einer berühmten Predigt…«
    So hatte Wilbur seine Predigt noch nie eingeleitet, das hörte sich vielversprechend an. Ludwig schöpfte Hoffnung.
    »Erinnert euch, was Gott im Buch
Genesis
Noah versprochen hat: ›Solange die Erde fortbesteht, werden Aussaat und Ernte, Sommer und Winter und Tag und Nacht dein Leben begleiten.‹ Und wie hat es der hochverehrte Dr. Donne formuliert? ›Suchet die Stunde, in der Gott sich den Seinen zeigt, nicht im fahlen Licht des Morgens oder in der farbenprächtigen Fülle des Frühlings, suchet sie vielmehr an dem Tag, an dem wir die Garben binden!‹«
    Wilbur machte eine Pause, um den Blick über die Gläser der Lesebrille hinweg auf die heute so zahlreich versammelten Gläubigen zu richten. Ludwigs Hoffnung war augenblicklich verflogen. Es waren die Textstellen, die der Reverend jedes Jahr am Erntedankfest zitierte. War er wirklich so einfältig, seine Gemeinde mit Worten abspeisen zu wollen, die sie schon Jahr für Jahr von ihm gehört hatte?
    Wilbur breitete feierlich die Arme aus. »Und so erfahren wir in unserer kleinen Stadt Medicine Creek abermals Gottes Huld und die Fülle des Sommers. Gott löst sein Versprechen ein, er schenkt uns den Mais in solchem Übermaß, dass sich die Stängel ächzend unter der Last der reifen Kolben biegen.« Ludwig sah sich ernüchtert um. Wie reagierten die Besucher darauf, dass der Reverend seinen alten, ausgeleierten Sermon wiederholte, statt in dieser Stunde der Bedrängnis ein paar Worte des Trostes zu finden?
    »Und wenn einer fragen wollte, woran er Gottes Güte erkennen könne, würde ich ihm sagen: Geh zur Tür, sieh hinaus!Sieh dir den reifen Mais an, der nur darauf wartet, geerntet zu werden, auf dass er uns körperlich nähren und unsere Seelen erfreuen möge!«
    »Zu Biosprit verarbeitet werden kann, meinst du wohl!«, hörte Ludwig jemanden halblaut murmeln.
    Vielleicht ist Wilbur noch in der Aufwärmphase, versuchte Ludwig sich einzureden. Gleich wird er – nein, muss er – auf den entscheidenden Punkt zu sprechen kommen.
    Aber nein, der Reverend fuhr in seinem abgedroschenen pastoralen Gesäusel fort. »Nach altem Brauch danken wir Gott am Erntedankfest für seine überreiche Huld…«
    Die Stimmung unter seinen Zuhörern war eine Mischung aus stoischer Verzweiflung und der vagen Hoffnung, dass er doch noch auf die Ereignisse zu sprechen käme, die seine ganze Gemeinde bedrückten. Aber dann trat der Moment ein, in dem selbst bei den Optimisten jede Hoffnung erstarb. Denn auf einmal schlug der Reverend einen scherzhaften Plauderton an.
    »Vor kurzem«, begann er zu erzählen, »bin ich mit Lucy, meiner lieben Frau, nach Deeper gefahren, und da ist uns unterwegs das Benzin ausgegangen…«
    Oh nein! Ludwig litt innerlich wahre Höllenqualen. Dieselbe Geschichte hatte Wilbur schon letztes Jahr erzählt!
    »Da standen wir nun am Straßenrand, links und rechts von uns nichts als Maisfelder. Lucy fragte mich: ›Was sollen wir jetzt machen?‹, und ich antwortete ihr: ›Auf Gott vertrauen.‹« Er kicherte albern und merkte gar nicht,

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