Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
der Pater könne herausfinden, dass er als Autor gescheitert war.
»Den werde ich mir sofort besorgen«, versprach Cappi, bevor er weitererzählte: »Wie zu erwarten, waren Groves Kritiken meisterhaft formuliert. Sie erschienen in der New York Review of Books und fanden bei einer breiten Leserschaft große Beachtung. All das entsprach seiner schon immer latenten Neigung zur Maßlosigkeit, ob es nun um die Auswahl seiner Freunde, um Alkoholexzesse oder um seine Dinnerpartys ging, bei denen er sich wie ein römischer Kaiser gebärdete.«
»Und was wurde aus Ihrer Freundschaft?«, erkundigte sich Pendergast.
»Die ist schlicht verkümmert. Ich glaube, er hat es mir persönlich übel genommen, dass ich Priester war. Seine Frau ist ihm 1974 davongelaufen, und kurz danach ist er auf Distanz zu mir gegangen. Ich habe seither nichts mehr von ihm gehört. Das heißt, bis auf heute Morgen.«
»Als er Sie anrufen wollte?«
Der Pater nickte und kramte einen Mikrokassettenrekorder aus der Soutane. »Ich habe mir erlaubt, eine Kopie zu ziehen, bevor ich das Original der Polizei übergab.« Dann drückte er die Wiedergabetaste. Nach einem Piepston war Groves Stimme zu hören.
» Bernard? Bernard, ich bin ’s, Jeremy. Du musst sofort kommen!
Bist du da? Ich flehe dich an, nimm den Hörer ab! Bei allem, was dir heilig ist, nimm ab! «
Die Stimme klang schrill, gehetzt und seltsam belegt.
» Hör zu, Bernard, ich brauche dich dringend! Southampton, Dune Road 3001. Komm sofort! Bitte, es ist – es ist schrecklich! Und bring ein Kreuz, die Bibel und Weihwasser mit, hörst du? Ich muss die Beichte ablegen! Ich brauche Vergebung … die Absolution, verstehst du? Um Gottes willen, nimm endlich ab, Bernard! «
Die Stimme verstummte, die vorprogrammierte Zeit des Anrufbeantworters war abgelaufen. Einen Augenblick lang herrschte betretenes Schweigen, dann wandte sich Pendergast an Cappi: »Ich würde gern erfahren, was Sie davon halten, Pater.«
Cappis Gesicht verdüsterte sich. »Ich glaube, er hatte Angst vor der ewigen Verdammnis.«
»Vor der Verdammnis oder vor dem Teufel?«
Cappi rutschte nervös auf seinem Stuhl herum. »Nun, Jeremy litt zweifellos unter Todesangst. Warum auch immer, er ahnte wohl, dass er sehr bald sterben würde. Und er wollte zuvor unbedingt die Vergebung seiner Sünden. Immerhin war ihm das offensichtlich wichtiger, als die Polizei anzurufen. Woraus ich schließe, dass er nie aufgehört hat, an Gott zu glauben.«
»Ist Ihnen das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung bekannt? Sind Sie über den eingebrannten Hufabdruck, die Spuren von Sulfid und Schwefel und das Phänomen einer ungewöhnlichen Erhitzung des Körpers unterrichtet?«
»Ja, das hat man mir erzählt.«
»Und wie erklären Sie sich das alles?«
»Hinter all dem steckt mit Sicherheit ein Mensch aus Fleisch und Blut. Jemand, der demonstrieren wollte, was für ein Mensch Grove seiner Meinung nach war. Deshalb der Hufabdruck und der Schwefel und das alles …« Pater Cappi ließ den Rekorder wieder in seiner Soutane verschwinden. »Das Böse ist nicht so geheimnisumwittert, wie wir uns mitunter einreden, Mr Pendergast. Es ist immer und überall ganz in unserer Nähe, ich begegne ihm jeden Tag. Darum erscheint es mir sehr zweifelhaft, dass der Teufel, welche Gestalt er auch annehmen mag, sonderlich daran interessiert ist, sich bei seinen Geschäften in die Karten blicken zu lassen.«
7
Der Mann, den alle nur unter dem Namen Wren kannten, eilte in der einsetzenden Dunkelheit den oberen Riverside Drive hinunter. Zur Linken konnte er den Park erahnen, der sich bis zum Ufer des Hudson erstreckte, zu seiner Rechten lagen die einst prächtigen Herrenhäuser, die nun leer standen, allmählich verfielen und die Wohngegend zu einem Eldorado für finsteres Gesindel machten. Wren glaubte nicht, dass er das Opfer eines Überfalls werden könnte. Er vertraute auf seinen stämmigen Körperbau und den jugendlich beschwingten Schritt, vielleicht hoffte er aber auch, sein wildes, für einen Mann seines Alters viel zu üppiges weißes Haar werde potenzielle Angreifer so verunsichern, dass sie sich ein anderes, leichter einzuschätzendes Opfer suchten. Vor einer Jugendstilvilla zwischen 127th und 128th Street blieb er stehen. Das viergeschossige Haus war von einem mannshohen Zaun mit abschreckenden Eisenspitzen umgeben, an dem der Rost fraß. Das Gebäude selbst wirkte baufällig. Die Fenster waren mit Zinnplatten gesichert, das schiefergedeckte
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