Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
Glaubenszuversicht, die ihn im Grunde schon immer erfüllt hatte. Wenn er Harriman anschaute, schien er durch ihn hindurch in eine andere Welt zu sehen.
»Nun, Mr Harriman«, ergriff er plötzlich das Wort, »haben Sie alles zusammen, was Sie brauchen? Es ist fast Mitternacht, und ich wende mich gewöhnlich, bevor ich mich zurückziehe, mit einer Botschaft an meine Anhänger.«
»Nur eine Frage noch, Reverend. Was, glauben Sie, wird passieren? Es dürfte Ihnen klar sein, dass die Polizei nicht einfach aufgeben wird.«
Buck hatte die Frage im Stillen bereits erwartet. »Was passieren soll, wird passieren«, erwiderte er in ruhigem, gelassenem Ton.
»Es kann einen ganz schön heißen Tanz geben. Sind Sie darauf vorbereitet? Auch auf Tränengas, Wasserwerfer und Gummiknüppel?«
»Es wird keinen heißen Tanz geben. Und wenn doch, bin ich vorbereitet.«
»Machen Sie sich überhaupt keine Sorgen, Reverend?«
»Ich richte mein Vertrauen auf den Herrn, Mr Harriman. Worauf richten Sie es?«
Es wurde Zeit zusammenzupacken. »Besten Dank, Reverend, Sie haben mir sehr geholfen.«
»Ich danke Ihnen ebenfalls, Mr Harriman. Wollen Sie noch einen Moment bleiben und meine kurze Ansprache hören? Zweifellos bahnt sich irgendetwas an, da gebe ich Ihnen Recht. Deshalb wird meine Botschaft heute anders sein als sonst.«
Harriman zögerte. Er musste um fünf wieder aufstehen. Die Cops würden bestimmt am nächsten Tag zuschlagen, und irgendetwas sagte ihm, dass sie es am frühen Morgen tun würden. »Worum geht’s denn, Reverend?«
»Die Hölle.«
»Nun, wenn es so ist, bleibe ich.«
Buck stand auf und gab seinen Vertrauten einen Wink, ihn nach draußen zu begleiten. Harriman folgte ihnen auf dem Fuß, zog sein Aufnahmegerät aus der Tasche und versuchte, den Gestank des Lagers zu ignorieren. Ihr Ziel war ein großer Felsen westlich der Zeltstadt, der jetzt von allen nur noch als Kanzel bezeichnet wurde.
Das rege Treiben im Camp verstummte, als Buck den Felsen erklomm und die Hände zum Gruß hob.
»Guten Abend, liebe Freunde. Ich danke euch, dass ihr mir auch heute bei meiner spirituellen Suche nach der Wahrheit euer Ohr leiht. Das wird auch heute mein Thema sein, und doch wird es euch ganz anders und vielleicht sogar befremdlich erscheinen. Brüder und Schwestern, der Tag ist nahe, an dem wir alle vor ein Gericht treten müssen, ein mächtiges, gewaltiges Gericht. Dank der Hilfe des Herrn haben wir gestern obsiegt, aber die Mächte der Finsternis werden nicht so leicht aufgeben. Darum müsst ihr stark bleiben und dem Willen Gottes folgen, was immer Er euch auferlegt.«
Harriman hatte den Rekorder eingeschaltet. Es verblüffte ihn, dass sich Buck im Tonfall und in seinem Gehabe ganz anders gab als sonst. Der Reporter hätte schwören können, aus Bucks Worten sowohl Zuversicht als auch Gott ergebene Resignation herauszuhören.
»Ich habe euch oft erklärt, warum wir uns hier versammeln. Nun aber, am Vorabend eures Gerichts, müsst ihr euch klar machen, was der Sinn unseres Lebens und wer euer Feind ist. Denkt darüber nach und erinnert euch meiner Worte, auch und gerade dann, wenn ich nicht mehr unter euch weilen werde.«
Harriman war wie vor den Kopf geschlagen. Was meinte er mit dem Vorabend ihres Gerichts und der Zeit, zu der er nicht mehr unter ihnen weilte? Seit ihrem letzten Gespräch in Bucks Zelt hatte der Reporter angefangen, die Bibel zu lesen, das heißt, eigentlich mehr darin zu blättern, aber an das eine oder andere Wort Jesu konnte er sich vage erinnern.
»Nun, Schwestern und Brüder, im Mittelalter, als unsere Vorväter noch ungebildet und des Lesens unkundig waren, haben sie, ganz anders als wir, buchstäblich in der Furcht des Herrn gelebt. Sie wussten es nicht besser, konnten nur hoffen, dass Gott sie in den Himmel aufnehmen werde, denn es war ihnen sehr wohl bewusst, dass den Sündern, den Ungläubigen und den Lauen die ewige Verdammnis drohte. Wie ich schon sagte: Sie wussten es nicht besser. Heutzutage wissen wir, dass fleißige Kirchgänger oft die schlimmeren Sünder sind. Sie legen sich die Gebote so aus, wie es ihnen passt, und reden sich ein, weil sie getauft seien, werde ihnen alles vergeben. Aber, meine lieben Freunde, das ist ein gefährlicher Irrtum.«
Der Reverend legte eine Atempause ein, während der er seinen Blick über die Menge schweifen ließ.
»Gottes Liebe ist langmütig. Tag für Tag sterben Menschen in dieser Stadt, hunderte von Menschen. Wann, glaubt ihr, fangen diese
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