Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
langen Jahren verwurzelte Bindungen an seine Familie, ihre Loyalität stand außer Frage. Es ging ihm nur darum, die Sache ungestört erledigen zu können.
Er schritt langsam und zielstrebig durch die ausgedehnten Räume der Burg. Es war wie eine Reise durch die Zeit: zuerst durch den alten Teil aus dem dreizehnten Jahrhundert mit seinen Modernisierungen, dann in den Kern der Burganlage, wie die Langobarden es ein halbes Jahrtausend früher als Festung genutzt hatten, ohne Elektrizität und all die Annehmlichkeiten wie Wasserspülung und Zentralheizung, die heute selbstverständlich sind. Das Labyrinth aus kleinen, fensterlosen Räumen wurde immer dunkler und bedrückender. Fosco blieb stehen, nahm eine Fackel aus ihrer Halterung und zündete sie an. Als er an einer alten Werkbank vorbeikam, pickte er etwas auf und schob es sich in den Westenbund. Dann bog er in einen Seitengang ein und stieg in den aus dem Stein gehauenen Irrgarten der unterirdischen Gewölbe hinab.
Eine stattliche Zahl der weitläufigen Kellerräume der Burg wurden für die Verarbeitung und Lagerung von Produkten aus eigenem Anbau genutzt. In einigen Räumen standen Kelteranlagen für die Weinerzeugung, andere waren voller kleiner Eichenfässer, in denen der Wein reifte. Wieder andere dienten der Lagerung von Wildschweinschinken. Ein paar Schritte weiter wurden Olivenöl und Balsamico abgefüllt.
Aber hier, in der dunklen Enge tief unter dem alten Festungsgewölbe, sah es anders aus. Hier gab es keine Frischluft mehr, weder durch einen Windhauch noch durch einen Ventilator. Schmale Kämmerchen waren tief in den Kalkstein gehauen, und Wendeltreppen führten in Bereiche, die seit einem halben Jahrtausend nicht mehr benutzt wurden.
Eine dieser Treppen stieg Fosco langsam und vorsichtig hinunter. Die Luft war kühl, die Wände feucht und die Stufen gefährlich glatt. Wenn er ausrutschte und stürzte, würde niemand seine Rufe jemals hören.
Schließlich endeten die Stufen in einem Labyrinth aus engen, mit alten Bruchsteinen gesäumten Gewölbegängen. In die Wände waren Nischen geschlagen, in jeder von ihnen ruhten die Gebeine eines vor langer Zeit dahingeschiedenen Ahnherrn seiner Familie. Die Luft war muffig, Foscos Fackel fing zu flattern an.
Als er tiefer in den Berg eindrang, wurden die alten Wände bröckeliger, an vielen Stellen waren sie schon eingestürzt, auf dem Boden hatte sich Steinschutt angesammelt. Überall lagen Skelette herum, die Knochen waren von Ratten angenagt worden.
Schließlich endete das Gewölbe in einer Sackgasse. Fosco schwenkte seine Fackel, die aufgrund des fehlenden Sauerstoffs ständig drohte auszugehen. Die flackernde Flamme wies ihm den Weg zu einer Gestalt, die in sich zusammengesunken und mit hängendem Kopf dasaß: Pendergast. Sein Gesicht war zerkratzt und von zahlreichen blutenden Wunden gezeichnet. Sein gewöhnlich untadelig sauberer schwarzer Anzug war schmutzig und zerschlissen. Das Jackett lag wie ein Haufen Lumpen auf seinen Füßen, seine handgefertigten englischen Schuhe waren über und über vom Schlamm der Toskana bedeckt. Er schien bewusstlos zu sein und wäre wohl vornübergekippt, wenn Fosco ihm nicht vorsorglich in Brusthöhe eine schwere, straff gespannte, durch quer angebrachte Halterungen gesicherte Kette angelegt hätte. Pendergasts Arme hingen schlaff herunter und waren mit zusätzlichen Fesseln an die Wand gekettet.
Der Graf schwenkte vorsichtig die Fackel hin und her. Böse Erfahrungen hatten ihn gelehrt, seinen Gegenspieler selbst in so einer Situation nicht zu unterschätzen. Aber Pendergast war ihm ohne jeden Zweifel wehrlos ausgeliefert. Nachdem er sich abermals davon überzeugt hatte, wagte es der Graf, die Fackel näher an sein Opfer zu schieben. Als das Licht der Flamme auf Pendergasts Gesicht fiel, zeigte der Agent ein erstes schwaches Lebenszeichen. Er öffnete flatternd die Augen.
Fosco trat eilends einen Schritt zurück. »Agent Pendergast?«, säuselte er. »Aloysius? Sind wir wach?«
Pendergast antwortete nicht. Aber seine Augen blieben geöffnet, er bewegte sich ein wenig hin und her und versuchte, die gefesselten Handgelenke zu bewegen.
»Ich bitte um Vergebung, aber die Einschränkung Ihrer Bewegungsfreiheit ist, wie Sie bald verstehen werden, unerlässlich.«
Als er keine Antwort bekam, fuhr der Graf fort: »Sie fühlen sich sicher schwach und können sich kaum rühren. Und Sie leiden wahrscheinlich unter Gedächtnisschwund. Phenobarbital führt mitunter zu
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