Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
ging kniend in Anschlag.
Seine Verfolger mussten jeden Moment auftauchen. Seine Chance lag im Grunde bei null: Zwei Killer, und er hatte nur noch einen Schuss. Es sah nicht gut aus. Gar nicht gut.
15
Das schwach lodernde Feuer im Kamin warf einen rötlichen Lichtschein auf die Bücherregale. Special Agent Pendergast und Constance Green saßen zu beiden Seiten des Feuers in bequemen Ohrensesseln. Auf einem Beistelltischchen stand noch das Geschirr von ihrer Teestunde.
Pendergast richtete den Blick auf die Uhr über dem Kamin und griff zu den alten Zeitungen, aus denen er ihr regelmäßig vorlas.
»7. August 1964. Der U.S. Senat hat Präsident Johnson mit 88 gegen 4 Stimmen ermächtigt, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um mit den U.S. Truppen in Vietnam auf den Beschuss zweier Schiffe der U.S. Navy durch Nordvietnam im Golf von Tonkin zu reagieren …«
Constance hörte ihm aufmerksam zu, aber als Pendergast in dem Stapel vergilbter Zeitungen weiterblätterte, hob sie mit einer abwehrenden Geste die Hand. »Ich bin nicht sicher, ob ich noch einen Krieg ertrage. War er schlimm?«
»Einer der schlimmsten. Er hat das Land in zwei Lager gespalten.«
»Dann sollten wir das lieber auf morgen verschieben.«
Pendergast nickte, faltete seine Zeitungen sorgfältig zusammen und legte sie weg.
»Ich kann kaum glauben, wie grausam das vergangene Jahrhundert war. Was du mir vorliest, erschüttert mich zutiefst.«
Und als Pendergast durch eine Neigung des Kopfes seine Zustimmung andeutete, fragte sie: »Was meinst du: Wird das neue Jahrhundert ähnlich barbarisch?«
»Das zwanzigste Jahrhundert offenbarte uns die Schattenseite der Physik. Das einundzwanzigste wird uns die Schattenseite der Biologie zeigen. Und darum ist es das letzte Jahrhundert der Menschheitsgeschichte, Constance.«
»Warum so zynisch?«
»Möge Gott mich Lügen strafen.«
Im Kamin brach auflodernd ein Birkenholzscheit in sich zusammen und riss Pendergast aus seiner düsteren Stimmung.
»Was meinst du, wollen wir uns nun lieber mit den Ergebnissen deiner Nachforschungen befassen?«
»Gern.« Constance ging zum Bücherregal und kam mit einem Stapel antiker Folianten zurück. »Das vom Abt Trithemius verfasste Buch über die Engel in der Textfassung von McMaster, das Buch der Beschwörungen von Honorius, das Secretum Philosophorum und selbstverständlich das Ars Noto rium. Abhandlungen über den Verkauf der Seele, Teufelsbeschwörungen und Ähnliches.« Sie legte die Bände auf den Beistelltisch. »Alles vorgebliche Augenzeugenberichte. Auf Latein, Altgriechisch, Aramäisch, Altfranzösisch, Altnordisch und Mittelenglisch. Und hier habe ich noch die so genannten Crimoiren … «
»Ah, die Geisterbeschwörungen. Mich interessiert allerdings besonders, wie der Teufel den Tribut für geleistete Dienste einfordert.«
»Da gibt es mehrere Quellen. Hier zum Beispiel …« Sie deutete mit einem Anflug von Abscheu auf den wurmstichigen Einband des Ars Notorium. »Die Geschichte von Meister Geoffrey.«
»Erzähl weiter!«
»Außer in den Details unterscheiden sich die Fälle nicht sonderlich von dem des Doktor Faustus. Ein hochgebildeter Mann, ruhelos und unzufrieden, ein Manuskript, die Anrufung des Teufels, gemachte und gebrochene Versprechen, ein heißes Ende. Meister Geoffrey war Doktor der Philosophie. Im frühen fünfzehnten Jahrhundert lehrte er Chemie und Mathematik an der Universität Oxford. Sein Hauptanliegen war es, das Geheimnis der Primzahlen zu ergründen. Er hat viele Jahre daran gearbeitet, und es soll ihm gelungen sein, alle Primzahlen unter 10000 aufzulisten. Manche Berechnungen dauerten über ein Jahr, und wie es hieß, habe er sie nicht ohne fremde Hilfe schaffen können. Daher der Pakt mit Luzifer. In seiner Studierstube soll es immer nach Schwefel gerochen haben, auch von unerklärlichen Geräuschen und Irrlichtern war die Rede. Er hielt weiter Vorlesungen und betrieb seine alchemistischen Experimente. Sein Ruhm breitete sich rasch über alle Grenzen aus. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, er habe eine Formel gefunden, mit der man Blei in Gold verwandeln könnte. König Heinrich VI. soll ihn dafür in den Orden des Goldenen Bechers aufgenommen haben. Sein Lebenswerk, Die Neun Göttlichen Zahlen, wurde in ganz Europa gelesen, man pries ihn allenthalben wegen seiner Weisheit und Gelehrsamkeit.«
Nach einer kleinen Pause fuhr sie fort: »Aber dann veränderte sich die Lage. Auf dem Zenit seines Erfolges befiel ihn eine
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