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Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd

Titel: Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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Krasner.«
    »Aber Sie haben es sich tatsächlich vorgestellt. Nicht wahr? Sie haben sich vorgestellt, dass Sie ihn töten.«
    »Ich habe mir nichts dergleichen vorgestellt.«
    »Doch, das haben Sie. Sie haben ihn getötet. Sie haben es sich vorgestellt. Und nun stellen Sie sich seinen Leichnam vor, wie er auf dem Boden liegt. Sie sehen den Leichnam, weil Sie nicht umhinkönnen, ihn zu sehen.«
    »Das ist doch …« Pendergasts Stimme stockte.
    »Sie sehen den Leichnam, Sie können nicht umhin, ihn zu sehen. Weil ich Ihnen erkläre, dass Sie ihn sehen… Aber warten Sie – er ist noch nicht tot … Er bewegt sich, er lebt noch… Er möchte etwas sagen. Mit letzter Kraft, während er im Sterben liegt, winkt er Sie zu sich heran und sagt etwas zu Ihnen. Was hat er soeben gesagt?«
    Langes Schweigen. Schließlich antwortete Pendergast trocken: »Qualis artifex pereo.«
    Glinn zuckte zusammen. Er kannte das Zitat, stellte aber fest, dass es Krasner nicht geläufig war. Was ein Durchbruch hätte sein sollen, um Pendergast verstehen zu können, hatte sich plötzlich in ein intellektuelles Spiel verkehrt.
    »Was heißt das?«
    »Das ist Latein.«
    »Ich wiederhole: Was heißt das?«
    »Es bedeutet: ›Oh, welch ein Künstler stirbt mit mir!‹«
    »Warum hat er das gesagt?«
    »Das waren Neros letzte Worte. Ich glaube, Diogenes meinte das im Scherz.«
    »Sie haben Ihren Bruder getötet, Aloysius, und nun betrachten Sie seinen Leichnam.«
    Ein gereizter Seufzer.
    »Das ist das zweite Mal, dass Sie das getan haben.«
    »Das zweite Mal?«
    »Sie haben ihn schon einmal getötet, vor Jahren.«
    »Wie bitte?«
    »Doch, das haben Sie. Sie haben das getötet, was gut in ihm war; Sie haben ihn zurückgelassen, wie eine leere Hülle voller Boshaftigkeit und Hass. Sie haben ihm etwas angetan, das seine Seele ermordet hat.«
    Glinn hielt den Atem an. Der besänftigende Tonfall war längst aus Dr. Krasners Stimme gewichen. Er war zu Phase drei übergegangen, abermals ungewöhnlich schnell.
    »Ich habe nichts dergleichen getan. Er ist so zur Welt gekommen: leer und grausam.«
    »Nein. Sie haben seine Güte ermordet! Es gibt keine andere Möglichkeit. Begreifen Sie denn nicht, Aloysius? Der Hass, den Diogenes gegen Sie empfindet, ist von einer geradezu mythischen Heftigkeit. Dieser Hass kann nicht aus nichts entsprungen sein; Energie kann weder geschaffen noch zerstört werden. Sie haben den Hass geschaffen, Sie haben Diogenes etwas angetan, das ihm das Herz aus der Brust gerissen hat. In all den Jahren haben Sie diese entsetzliche Tat verdrängt. Und nun haben Sie ihn wieder getötet, im buchstäblichen wie auch im übertragenen Sinne. Sie müssen sich den Tatsachen stellen, Aloysius: Sie sind Herr über Ihr eigenes Schicksal. Sie befinden sich im Irrtum. Sie haben es getan.«
    Noch ein langes Schweigen. Pendergast lag auf der Couch, reglos, seine Gesichtshaut wirkte grau, wächsern.
    »Jetzt erhebt sich Diogenes. Er sieht Sie wieder an. Ich möchte, dass Sie ihn etwas fragen.«
    »Was?«
    »Fragen Sie ihn, was Sie ihm getan haben, dass er Sie so sehr hasst.«
    »Das habe ich.«
    »Und wie hat er darauf reagiert?«
    »Mit einem Lachen. Er hat gesagt: ›Ich hasse dich, weil du bist, der du bist.«‹
    »Fragen Sie noch einmal.«
    »Er sagt, das sei Grund genug. Sein Hass habe nichts mit irgendetwas zu tun, das ich getan hätte, er sei einfach da, so wie Sonne, Mond und die Sterne.«
    »Nein, nein, nein. Was haben Sie getan, Aloysius?« Krasner sprach erneut mit sanfter Stimme, jetzt allerdings mit großem Nachdruck. »Befreien Sie sich davon. Wie furchtbar es sein muss, ein solches Gewicht auf den Schultern zu tragen. Schütten Sie Ihr Herz aus.«
    Langsam erhob sich Pendergast von der Couch und schwang die Beine über die Kante. Einen Augenblick saß er regungslos da. Dann strich er sich über die Stirn und schaute auf seine Armbanduhr. »Es ist jetzt Mitternacht. Wir haben den 28. Januar, und mir läuft die Zeit davon. Ich kann mit dieser lachhaften Übung einfach nicht mehr davon vergeuden.« Er stand auf und wandte sich Dr. Krasner zu. »Ich beglückwünsche Sie zu Ihren tapferen Bemühungen, Doktor. Glauben Sie mir, es gibt in meiner Vergangenheit nichts, das Diogenes’ Benehmen rechtfertigte. Im Zuge meines Berufslebens hatte ich Gelegenheit, den Geist von Verbrechern zu studieren, und dabei bin ich zu einer schlichten Erkenntnis gelangt: Manche Menschen werden als Ungeheuer geboren. Man kann ihre Motive erhellen und ihre

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