Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
Lächeln. Dann kam er mit lässigem Schritt zu ihr herüber, streckte die Arme aus und umfasste ihre Hand mit seinen, die sich kühl und weich anfühlten. »Lady Maskelene?«
»Nennen Sie mich doch Viola.«
»Viola. Ich bin entzückt.« Seine Stimme hatte viel vom butterweichen Südstaatenakzent seines Bruders, und seine Sprechweise war fast genauso lässig wie sein Gang, aber die einzelnen Wörter artikulierte er sehr präzise, als würde er sie am Ende abbeißen. Eine ungewöhnliche, ein wenig verstörende Mischung.
»Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Diogenes.«
»Mein Bruder hat zwar ein großes Geheimnis um Sie gemacht, aber ich weiß, er möchte Sie unbedingt treffen. Ist das Ihr Gepäck?« Er schnippte mit den Fingern, worauf ein Träger herbeigeeilt kam. »Bringen Sie das Gepäck der Dame zu dem schwarzen Lincoln vor dem Ausgang.« Wie durch Magie tauchte ein Zwanziger in seiner Hand auf, aber der Gepäckträger war derart fasziniert von Viola, dass er den Geldschein kaum wahrnahm.
Diogenes wandte sich wieder zu Viola um. »Und wie war Ihr Flug?«
»Ziemlich scheußlich.«
»Tut mir Leid, dass ich Ihnen keine andere, günstigere Flugverbindung vorschlagen konnte. Mein Bruder hat, wie Sie ja wissen, eine recht hektische Woche hinter sich, außerdem war die Logistik, um unser Treffen hier zu arrangieren, doch ein wenig diffizil.«
»Kein Problem. Wichtig ist, dass ich hier bin.«
»In der Tat. Wollen wir gehen?« Er bot ihr seinen Arm an, und sie hakte sich bei ihm unter. Sein Arm war erstaunlich kräftig, und seine Muskeln fühlten sich hart wie Stahlkabel an; sie passten so gar nicht zu seinen weichen, fast trägen Bewegungen.
»Ihre Ähnlichkeit mit Ihrem Bruder ist wirklich frappierend«, sagte sie, als sie das Terminalgebäude verließen.
»Ich fasse das als Kompliment auf.«
Als sie durch die Drehtür gingen, schlug ihnen ein kalter Wind entgegen. Frischer glitzernder Schnee lag puderig auf dem Bürgersteig jenseits des überdachten Bereichs.
»Brrr!«, rief Viola und zuckte zurück. »Als ich von Capraia abflog, hatten wir milde zwanzig Grad. Das Wetter hier ist ja barbarisch!«
»Sie sprechen natürlich von zwanzig Grad Celsius«, erwiderte Diogenes augenzwinkernd. »Wie ich Sie beneide, dass Sie das ganze Jahr auf der Insel verbringen können. Hier ist mein Wagen.« Er öffnete ihr den Schlag, ging um das Auto herum, wartete, bis der Gepäckträger den Kofferraum geschlossen hatte, und setzte sich hinters Steuer.
»Im Grunde genommen wohne ich gar nicht das ganze Jahr dort. Normalerweise bin ich um diese Jahreszeit in Luxor und arbeite bei den Ausgrabungen im Tal der Adligen mit. Aber dieses Jahr hatte ich wegen der vermaledeiten Verhältnisse im Nahen Osten ein paar Probleme mit meinem Visum.«
Diogenes fuhr langsam an und fädelte sich in den fließenden Verkehr in Richtung Ausfahrt vom Flughafengelände ein. »Sie sind Ägyptologin«, sagte er. »Wie faszinierend. Ich habe auch einige Zeit in Ägypten verbracht, als Juniormitglied der Heertsgaard-Expedition.«
»Nicht die, die auf der Suche nach den Diamantenminen von Königin Hatschepsut nach Somalia vordrang? Die, bei der Heertsgaard enthauptet vorgefunden wurde?«
»Genau die.«
»Wie aufregend! Ich würde liebend gern mehr darüber erfahren.«
»›Aufregend‹ – so kann man das sicher auch nennen.«
»Stimmt es, dass Heertsgaard die Hatschepsut-Minen gefunden hat, kurz bevor er ermordet wurde?«
Diogenes stieß ein leises Lachen aus. »Das bezweifle ich, offen gestanden. Sie wissen ja, wie solche Gerüchte entstehen. Interessanter als die sagenumwobenen Minen finde ich die Regentin Hatschepsut selbst – die einzige Pharaonin –, aber Sie wissen sicherlich alles über sie.«
»Eine faszinierende Frau.«
»Sie hat ihren Anspruch auf den Thron angemeldet, indem sie behauptete, dass ihre Mutter mit dem Gott Amon geschlafen habe und dass sie dieser Verbindung entsprungen sei. Wie lautet doch die berühmte Inschrift? › Amon fand die Königin schlafend in ihrem Bette. Als die Wohlgerüche, die er verströmte, von seiner Anwesenheit kündeten, erwachte sie. Da zeigte er sich in seiner gottgleichen Pracht, und als er sich der Königin näherte, weinte sie vor Freude ob seiner Kraft und Schönheit und gab sich ihm hin.‹«
Viola war fasziniert. Diogenes hatte anscheinend eine genauso gute Allgemeinbildung wie sein Bruder.
»Aber nun sagen Sie mal, Viola – was für Ausgrabungen nehmen Sie im Tal der Adligen denn
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