Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
tatsächlich fast eine Katastrophe geworden, aber Sie waren ja Gott sei Dank vor Ort. Sie haben nicht nur die Sache mit den Tano geregelt, sondern es ist Ihnen auch gelungen, dass das Museum in einem ausgesprochen günstigen Licht dasteht. Brillant, einfach brillant.« Er gluckste förmlich vor Vergnügen, seine Augen funkelten. Nora hatte ihn noch nie so lebhaft erlebt.
Sie trank einen Schluck. Es war eine höllisch anstrengende Woche gewesen: Bill war bedroht worden und deshalb untergetaucht, der Mord an Margo, der Stress im Vorfeld der Eröffnung, die Warnungen von Pendergast… im Moment war sie sogar zu müde und erschöpft, um Angst empfinden zu können. Sie hatte nur noch einen Wunsch: nach Hause fahren, die Tür hinter sich zusperren und ins Bett kriechen. Stattdessen musste sie sich noch stundenlang Reden anhören, sich unter die Gäste mischen und gute Miene zum bösen Spiel machen.
Menzies legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. »Wenn das alles hier vorbei ist, möchte ich, dass Sie sich Urlaub nehmen. Sie haben ihn sich verdient.«
»Danke. Ich gäbe nur viel darum, wenn er gleich anfangen könnte.«
»Noch drei Stunden.«
Nora hielt ihr Glas hoch. »Noch drei Stunden«, sagte sie und trank einen großen Schluck Champagner.
Unter den Klängen des Streichorchesters, das das Kaiserquartett von Joseph Haydn anstimmte, rückten die Gäste langsam auf die Büfetttische zu. Sie waren beladen mit Blini au caviar, Prosciutto, seltenen französischen und italienischen Käsesorten, Bergen von knusprigem Baguettes, Krustentieren, frischen Austern auf zerstoßenem Eis, kalten Hummerschwänzen, geräuchertem Stör – alles, was gut und teuer war. Andere Tische bogen sich unter Wein und Champagner, und jeder Dritte im Saal war offenbar Kellner und eilte mit einem silbernen Tablett voller Getränke und Speisen zwischen den Gästen umher.
»Nora«, sagte Menzies, »Sie müssen sich unters Volk mischen.«
Sie stöhnte. »Lieber Gott, steh mir bei.«
»Ach, nun zieren Sie sich nicht. Wir stellen uns gemeinsam den gefräßigen Horden.« Er fasste ihren Arm, und so schritten sie gemächlich durch die Menge. Ein wenig verblüfft stellte Nora fest, dass sie ständig von Gratulanten begrüßt wurde und dass die Presseleute sie mit Fragen bombardierten. Offenbar war ihr Coup, die Tano ins Museum einzuladen, enorm gut angekommen, und alle nahmen an, er sei von langer Hand geplant gewesen.
Als sie schließlich an den ihr zugewiesenen Tisch gelangte, saßen dort schon etliche Mitglieder ihrer Abteilung, unter ihnen auch Ashton, der Hauptkurator der Ausstellung. Als das eigentliche Essen begann, betrat Collopy in Begleitung seiner jungen Frau das Podium und hielt eine kurze, geistreiche Ansprache.
Dann wurde es Zeit, die Ausstellung offiziell zu eröffnen. Nora, Menzies, Ashton und einige weitere Kuratoren stellten sich in einer Reihe auf dem Podium auf, während Collopy, die riesige Schere schwingend, die für derartige Anlässe verwendet wurde, zum Band hinüberschritt und einige Mühe hatte, es durchzuschneiden. Als es schließlich vollbracht war, brandete tosender Applaus auf, und die riesige Tür zur Bildnisse des Heiligen-Ausstellung schwang auf. Lächelnd und nickend schritten Menzies, Nora und die übrigen Mitglieder der Ethnologie-Abteilung voraus, die Partygänger folgten aufgeregt plappernd dahinter.
Es dauerte eine Weile, bis sie, vorangetrieben von den hinter ihnen nachdrängenden Gästen, das andere Ende der Halle erreicht hatten. Nora lief ein Schauder über den Rücken, als sie den Raum durchquerte, in dem Margo ermordet worden war; aber natürlich waren alle Spuren der Tat entfernt worden – was außer ihr offenbar niemandem auffiel. Und während sie sich immer weiter vorn Ort des Grauens entfernte, spürte Nora, wie das Entsetzen über den Mord einem leisen Stolz wich. Sie konnte es kaum fassen, dass es ihnen gelungen war, die Ausstellung doch noch rechtzeitig auf die Beine zu stellen.
Menzies hielt sich dicht hinter ihr und flüsterte ihr gelegentlich Komplimente in Bezug auf die Exponate zu, die unter ihrer Leitung entwickelt und aufgestellt worden waren. Die Tano waren gekommen und gegangen, sie hatten einige kleine Türkise, etwas Blütenstaub und ein wenig Maismehl auf der Vitrine mit den Masken hinterlassen, und alle Gäste achteten darauf, dass die Opfergaben nicht berührt wurden. Als sie dann schließlich den letzten Saal der Ausstellung erreichten, wandte sich Menzies zu Nora um und
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