Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
die Tür mit dem Fuß auf.
Eine Steintreppe führte hinunter. Der Geruch von Moder und Verfall stieg zu ihnen auf.
»Wie weit hinunter müssen wir noch?«
»Wir sind eigentlich bereits auf der Ebene der Eisernen Uhr. Das ist nur eine Abkürzung.«
Die Treppe war rutschig, und als sie weiter hinabstiegen, wurde die Luft stetig wärmer. Nach langem Abstieg hörten die Stufen auf, und sie standen in einem breiten, alten Backsteintunnel mit gotischen Gewölbebögen. Abgesperrte Arbeitsschuppen säumten den Tunnel.
D’Agosta blieb stehen. »Vor uns ist Licht. Und Stimmen.«
»Obdachlose«, erwiderte Pendergast.
Als sie weitergingen, stieg D’Agosta der Geruch von Holzfeuer in die Nase. Kurz darauf stießen sie auf eine Gruppe zerlumpter Männer und Frauen, die um ein behelfsmäßiges Feuer herumsaßen und eine Flasche Wein herumgehen ließen.
»Wo wollt ihr denn hin?«, rief einer der Männer. »Habt ihr euren Zug verpasst?«
Das Gelächter ließ nach, als sie vorbeigingen. Aus dem Dunkel hinter der Gruppe ertönte plötzlich das Weinen eines Babys.
»Meine Güte«, murmelte D’Agosta. »Haben Sie das gehört?«
Pendergast nickte nur.
Sie gelangten zu einer weiteren Metalltür; diesmal war die Kette, die sie sicherte, bereits durchgetrennt. Sie öffneten die Tür und erklommen eine lange, nasse Treppe, wobei sie immer wieder kleinen Rinnsalen ausweichen mussten, und traten schließlich auf einen anderen Schienenstrang hinaus.
Pendergast blieb kurz stehen und blickte auf die Uhr. »Halb zwölf.«
Ratten huschten davon, während sie wortlos durch den Tunnel gingen, scheinbar mehrere Meilen lang. Trotz der Bewegung drang D’Agosta die feuchte Kälte bis auf die Knochen. Einmal passierten sie ein Nebengleis, auf dem mehrere ausrangierte Eisenbahnwaggons standen. Später, als sie an einer Reihe gemauerter Nischen vorbeikamen, sah D’Agosta altes Metallgerät, das einen Durchmesser von mehr als zweieinhalb Metern hatte. Gelegentlich hörte er das entfernte Rumpeln von Zügen, aber auf den Gleisen, auf denen sie gingen, schienen keine Züge zu fahren.
Endlich blieb Pendergast stehen, schaltete die Taschenlampe aus und wies mit dem Kopf nach vorn. D’Agosta spähte in die Schwärze vor ihnen und sah, dass der Tunnel in einem Torweg endete, hinter dem ein schwaches gelbes Licht glomm.
»Da vorn ist die Eiserne Uhr«, sagte Pendergast leise.
D’Agosta griff nach seiner Glock 29, zog das Magazin heraus, überprüfte es kurz und schob es wieder hinein.
»Sie wissen, was Sie zu tun haben?«
D’Agosta nickte.
Langsam und schweigend bewegten sie sich voran, Pendergast zuerst, D’Agosta dicht hinter ihm. Er sah auf die Uhr, wozu er sie sich dicht vor die Nase halten musste: zwölf Minuten vor Mitternacht.
»Denken Sie daran«, flüsterte Pendergast. »Von hier an müssen Sie mir Deckung geben.«
D’Agosta drückte sich flach gegen die Wand. Er hatte einen ungehinderten Blick in den riesigen Raum vor ihnen. Was er sah, raubte ihm fast den Atem. Es war ein gewaltiges kreisrundes Gewölbe, aus Granitblöcken errichtet, die mit Kalk und Ruß überzogen waren, ein geradezu unglaubliches unterirdisches Bauwerk, das an altrömische Bauten erinnerte. Der Boden des Gewölbes wurde von einer Drehscheibe eingenommen. Ein Schienenstrang, der einen gewaltigen Eisenkreis durchschnitt, führte von einer Wand zur anderen. Zwölf Torbögen in gleichen Abständen öffneten sich in das Gewölbe. Über jedem Tunneleingang befanden sich ein kleines, schmutzbedecktes Licht und eine eingehauene römische Ziffer von I bis XII.
Das ist also die Eiserne Uhr, dachte D’Agosta.
Weil sein Vater ein Eisenbahnfan gewesen war, kannte sich D’Agosta ein bisschen mit Lokomotiv-Drehscheiben aus. Gewöhnlich fand man die beweglichen Gelenkscheiben an einem Endbahnhof: Ein einzelnes Einfahrgleis führte in die Drehscheibe, und dahinter befand sich ein halbkreisförmiger Rundschuppen mit den Lokomotivständen. Hier jedoch, so dicht bei der Pennsylvania Station und innerhalb eines der dichtesten Schienennetze der Welt, hatte die Drehscheibe ganz offensichtlich eine andere Funktion: Sie war ein Knotenpunkt, der die Gleise zusammenfasste und die Züge von einem Tunnel zum nächsten führte.
Das Tröpfeln von Wasser hallte in dem gewaltigen Raum wider, und weit oben an der Gewölbedecke konnte er Eiszapfen erkennen. Die Tropfen trudelten durch einen schmutzigen Lichtkreis und landeten in den schwarzen Pfützen auf dem Boden.
Irgendwo da
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