Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
spöttisch.
Viola machte einen unsicheren Schritt, einen zweiten, einen dritten – und brach in Pendergasts Armen zusammen.
Pendergast umfing sie beschützend, hob sanft ihr Kinn und schaute ihr ins Gesicht. »Du hast sie betäubt!«, sagte er.
»Pah. Nur ein paar Milligramm Dormicum, um sie ruhig zu stellen. Mach dir keine Gedanken – sie ist intakt.«
D’Agosta bemerkte, dass Pendergast Viola etwas ins Ohr flüsterte. Sie schüttelte abwehrend den Kopf, löste sich von ihm, schwankte. Er fing sie auf und hielt sie fest. Dann lotste er sie auf die Tunnelöffnung zu.
»Bravo, meine Herren, das war’s dann wohl!«, erklang Diogenes’ triumphierende Stimme. »Sie können den Ort jetzt alle durch Tunnel VI verlassen. Genauer gesagt, Sie müssen Tunnel VI nehmen. Ich bestehe darauf. Und Sie beeilen sich besser – in fünf Minuten kommt der Acela-Express nach Washington durch. Auf Gleis VI. Nach Verlassen des Bahnhofs beschleunigt er rasch, er wird bereits mehr als hundertdreißig Stundenkilometer erreicht haben. Wenn Sie bis dahin nicht bis zur ersten Nische gekommen sind, die sich in knapp dreihundert Metern Entfernung befindet, kann man Sie nachher von den Tunnelwänden abwischen. Jeden Nachzügler erschieße ich. Also Bewegung!«
Pendergast lotste Viola durch die Schwärze und übergab sie D’Agosta. »Schaffen Sie sie und Kaplan hier raus«, murmelte er und drückte D’Agosta seine Taschenlampe in die Hand.
»Und Sie?«
»Ich habe noch etwas zu erledigen.«
Diese Antwort hatte D’Agosta befürchtet. Er streckte die Hand aus, um Pendergast zurückzuhalten. »Er wird Sie umbringen.«
Pendergast löste sich sanft aus seinem Griff.
»Das können Sie nicht tun«, flüsterte D’Agosta eindringlich. »Die werden …«
»Habt ihr nicht gehört?«, ertönte die laute Stimme von Diogenes. »Jetzt bleiben nur noch vier Minuten!«
»Gehen Sie!«, sagte Pendergast grimmig.
D’Agosta warf ihm einen letzten Blick zu. Dann schlang er den Arm um Viola und versetzte Kaplan einen sanften Schubs. »Kommen Sie, Mr Kaplan. Gehen wir.«
Er schaltete die Taschenlampe ein, wandte der Eisernen Uhr den Rücken zu und führte die kleine Gruppe rasch den Tunnel hinunter.
68
Pendergast blieb mit gezogener Waffe im dunklen Tunnel stehen und wartete. Alles war still. Eine Minute verging, zwei Minuten, dann drei, dann vier. Fünf Minuten vergingen. Kein Zug kam.
Sechs Minuten. Sieben.
Immer noch wartete Pendergast in der Dunkelheit. Er erkannte, dass sein stets vorsichtiger Bruder sich nicht zeigen würde, bevor der Zug vorbei war. Langsam trat er wieder hinaus ins Licht.
»Aloysius! Was tust du noch hier?« Die Stimme klang plötzlich panisch. »Ich sagte, ich würde jeden töten, der sich noch einmal zeigt!«
»Tu es.«
Wieder fiel ein Schuss, der dicht vor seinem Schuh den Schotter aufspritzen ließ.
»Du bist heute nicht sehr zielsicher.«
Eine zweite Kugel prallte vom Torbogen über Pendergasts Kopf ab und besprühte ihn mit Steinsplittern.
»Wieder verfehlt.«
»Der Zug kommt jeden Augenblick durch«, ertönte die eindringliche Stimme. »Ich brauche dich nicht zu töten – das wird der Zug für mich erledigen.«
Pendergast schüttelte den Kopf. Dann begann er lässig über die Drehscheibe zu schlendern, auf den Mittelpunkt des Gewölbes zu.
»Zurück!« Wieder ein Schuss.
»Du zielst heute schlecht, Diogenes.«
Er blieb im Zentrum der Drehscheibe stehen.
»Nein!«, kreischte die Stimme. »Geh da weg!«
Pendergast bückte sich und griff nach dem Kästchen, nahm den Diamanten heraus und wog ihn in der Hand.
»Der Zug, du Idiot! Leg den Diamanten wieder hin! In dem Loch ist er sicher!«
»Es wird kein Zug kommen.«
»Doch. Er hat Verspätung, das ist alles.«
»Er wird nicht kommen.«
»Wovon redest du?«
»Der Acela-Express um Mitternacht fällt aus. Ich habe eine telefonische Bombendrohung durchgegeben.«
»Du bluffst! Wie hättest du das tun können? Du konntest meinen Plan nicht kennen.«
»Nein? Warum hast du uns dann um sechs Minuten vor Mitternacht hierher bestellt, nicht um Punkt zwölf? Und warum gerade hierher? Dafür konnte es nur einen Grund geben: Es hatte mit den Zugfahrplänen zu tun. Von da an war es elementar.« Er ließ den Diamanten in die Jackentasche gleiten.
»Leg ihn zurück – er gehört mir! Du Lügner! Du hast mich angelogen!«
»Ich habe dich nie angelogen. Ich habe lediglich deine Instruktionen befolgt. Du hingegen hast mich sehr wohl angelogen. Viele Male. Du
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