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Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd

Titel: Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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Eltern anrufen, mal sehen, ob der Junge redete. Aber auch wenn er dort keinen Erfolg hätte, es gab doch bestimmt noch andere Schüler, die Diogenes gekannt hatten.
    D’Agosta faltete den Briefbogen sorgfältig zusammen und legte ihn zurück auf den Tisch. Daneben lag ein altes Schwarzweißfoto, verblichen und verknickt. Er nahm es in die Hand und hielt es ins Licht. Ein Mann, eine Frau und zwei Jungen vor einem verschnörkelten schmiedeeiserne Geländer. Dahinter war ein imposantes herrschaftliches Haus zu sehen. Es war offenbar ein warmer Tag: Die Jungen hatten Shorts an, die Frau trug ein Sommerkleid. Der aristokratisch wirkende Mann sah direkt in die Kamera. Die Frau war schön, hatte helles Haar und lächelte geheimnisvoll. Die Jungen mochten etwa acht und fünf sein. Der Ältere stand gerade da, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, und blickte sehr ernst drein. Das hellblonde Haar war sorgfältig gescheitelt, die Kleidung gebügelt. Etwas an der Form der Wangenknochen, dem scharf geschnittenen Gesicht sagte D’Agosta, dass es sich um Pendergast handelte.
    Neben ihm stand der Jüngere mit etwas dunkleren Haaren, die Hände mit zum Himmel weisenden Fingern, wie zum Gebet aneinandergelegt. Anders als sein älterer Bruder wirkte Diogenes irgendwie unordentlich. Doch lag das weder an seiner Kleidung noch an seiner Frisur. Vielleicht war es die entspannte, beinahe lässige Haltung, die so gar nicht zu den züchtig gefalteten Händen passte. Vielleicht waren es die geöffneten Lippen, die zu voll und sinnlich für einen so jungen Menschen waren. Beide Augen schienen die gleiche Farbe zu haben – die Aufnahme musste also vor Diogenes’ Erkrankung gemacht worden sein.
    Dennoch, irgendwie fühlte sich D’Agosta zu den Augen hingezogen. Sie blickten nicht in die Kamera, sondern auf irgendeinen Punkt dahinter, ins Unbestimmte. Sie schienen trüb, fast tot, deplaziert in dem Kindergesicht. D’Agosta verspürte ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend.
    Neben ihm raschelte es. Er sprang auf. Constance Green war plötzlich an seine Seite getreten. Offenbar war sie genau wie Pendergast imstande, sich anderen Menschen fast lautlos zu nähern. »Es tut mir Leid«, sagte sie. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    »Kein Problem. Ein Blick auf den Kram hier genügt, um es mit der Angst zu kriegen.«
    »Haben Sie etwas Interessantes gefunden? Oder überhaupt irgendetwas?«
    D’Agosta schüttelte den Kopf. »Nichts, worüber wir noch nicht gesprochen haben.« Er hielt inne. »Da ist nur eines – ich habe überhaupt nichts über Diogenes’ Krankheit gefunden. Laut Cornelia handelte es sich um Scharlach. Sie sagte, die Krankheit habe ihn verändert.«
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr Informationen geben. Ich habe die Sammlungen und sämtliche Familienpapiere durchsucht, nur für den Fall, dass Aloysius etwas übersehen hat. Aber er war sehr gründlich. Es gibt sonst nichts.«
    Sonst nichts. Diogenes’ Aufenthaltsort, sein äußeres Erscheinungsbild, seine Aktivitäten, selbst das Verbrechen, das er plante: Alles lag absolut im Dunkel.
    Es gab lediglich ein Datum: 28. Januar. Das war der kommende Montag.
    »Vielleicht hat sich Pendergast ja geirrt«, sagte D’Agosta und versuchte, hoffnungsvoll zu klingen. »Was das Datum betrifft, meine ich. Vielleicht bezieht es sich auf nächstes Jahr. Oder vielleicht geht es um etwas ganz anderes.« Er deutete auf die Schriftstücke, die auf dem Tisch lagen. »Das Ganze scheint so weit weg zu sein und so lange her. Es ist schwer vorstellbar, dass irgendetwas von Bedeutung geschehen wird.«
    Constance antwortete darauf mit einem leisen, flüchtigen Lächeln.

8
     
    Erleichtert reichte Horace Sawtelle dem Kellner die überdimensionierte Speisekarte zurück, die wie altes Pergament aussehen sollte. Wenn doch bloß einer seiner Kunden einmal – nur ein einziges Mal – zu ihm kommen würde. Er hasste die wuchernden Betondschungel, in denen sie alle arbeiteten: Chicago, Detroit und jetzt New York. Wenn man sich daheim in Keokuk, Iowa, erst mal auskannte, konnte man eigentlich gut leben. Er kannte die besten Kneipen und Oben-ohne-Bars. Womöglich würden manche seiner Kunden sogar eine tiefe Bewunderung für gewisse Reize der Provinz entwickeln.
    Der Kunde, der ihm gegenüber am Tisch saß, bestellte etwas, dessen Bezeichnung sich anhörte wie erbrochenes Kalbfleisch. Horace Sawtelle fragte sich, ob der Mann wirklich wusste, was er da bestellt hatte. Er selber hatte die

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