Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
Riverside Drive 891 gefahren, um sich nochmals Pendergasts dürftige Sammlung von Beweismitteln anzusehen. Er hatte die Bank in London angerufen, auf die sich Diogenes vor Jahren Geld hatte überweisen lassen. Das Konto war seit zwanzig Jahren aufgelöst. Erkundigungen bei den Banken in Heidelberg und Zürich hatten die gleiche Antwort ergeben. Er hatte mit der Familie in England gesprochen, deren Sohn eine Zeit lang Diogenes’ Zimmergenosse in Sandringham gewesen war, hatte aber nur herausbekommen, dass der Junge sich, einen Tag nachdem man ihm die Schutzfesseln abnahm, umgebracht hatte.
Als Nächstes hatte er jene Rechtsanwaltskanzlei angerufen, die als Vermittler im Briefwechsel zwischen Diogenes und der Familie fungiert hatte. Dieses Mal wurde er von Pontius zu Pilatus geschickt: Er wurde von einer Sekretärin zur nächsten durchgestellt, wobei jede eine Wiederholung seiner Anfrage verlangte. Zu guter Letzt bekam er einen Anwalt an den Apparat, der sich ihm nicht vorstellen wollte, und der ihn informierte, dass Diogenes Pendergast seit Jahren nicht mehr sein Mandant sei und die anwaltliche Schweigepflicht es ihm verbiete, weitere Informationen herauszugeben, und dass, darüber hinaus, auf Ersuchen der besagten Person alle relevanten Akten längst vernichtet worden seien. Nach fünf Stunden und mindestens dreißig Telefonaten hatte D’Agosta exakt null in Erfahrung gebracht.
Als Nächstes hatte er sich die Zeitungsausschnitte vorgenommen, die Pendergast von diversen Verbrechen gesammelt hatte. Er hatte überlegt, ob er die Kollegen anrufen sollte, die mit den Fällen betraut gewesen waren, entschied sich dann aber doch dagegen. Pendergast hatte das ohne Zweifel bereits getan; wenn es irgendwelche zweckdienlichen Hinweise gab, hätte er die zu den Akten gelegt. D’Agosta hatte noch immer keinen blassen Schimmer, was Pendergast an diesen aus aller Welt stammenden und von bizarren und scheinbar unzusammenhängenden Verbrechen handelnden Zeitungsausschnitten so wichtig war.
Es war jetzt nach zwei Uhr nachmittags. D’Agosta wusste, dass sein Chef, Captain Singleton, außer Haus sein würde, da dieser es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, die wichtigen Fälle persönlich zu verfolgen. Daher fuhr er vom Riverside Drive 891 ins Polizeirevier, wo er sich an seinen Schreibtisch hockte, den Computer anschaltete und sich durch jede Polizei- und Behördendatenbank klickte, zu der er Zugang hatte: die Datenbank des New York Police Department, der Polizei des Staates New York, des FBI, WICAPS, Interpol, ja sogar die Bundesbehörde für Sozialversicherung. Nichts. Durch dieses ganze schier undurchdringliche Gestrüpp an Informationen, das die Behörden produzierten, war Diogenes einfach hindurchspaziert und hatte keine einzige Spur hinterlassen. Es war fast so, als wäre der Bursche tatsächlich tot. An diesem Punkt angelangt, hatte er aufgegeben und sich auf den Weg ins McFeeley’s gemacht.
Sein Cheeseburger kam, und er begann zu essen, schmeckte aber kaum etwas. Da ermittelte er erst seit achtundvierzig Stunden, und ihm waren schon alle Spuren ausgegangen. Aber gegen ein Gespenst konnten eben auch Pendergasts enorme Ressourcen nichts ausrichten.
D’Agosta biss noch ein paarmal halbherzig in seinen Burger, trank sein Bier aus, legte ein paar Geldscheine auf den Tresen, nickte Patrick zu und verließ das Lokal. Besorgen Sie sich alle hierzu nötigen Informationen von Detective Captain Laura Hayward, aber halten Sie sie weitestgehend aus der Sache heraus – um ihretwillen. Und in der Tat, seit ihrem gemeinsamen Besuch bei Cornelia Pendergast hatte D’Agosta Laura wenig von seinen Ermittlungen erzählt. Auf irgendeine verdrehte Weise kam es ihm so am besten vor. Warum eigentlich?
Er schob die Hände in die Taschen und neigte sich in den kalten Januarwind. Lag es daran, dass sie mit Sicherheit die Stimme der Vernunft verkörpern würde? Vinnie, das ist doch verrückt. Ein Brief auf dem nichts als ein Datum steht. Irgendwelche dummen Drohungen, die vor zwanzig, dreißig Jahren ausgestoßen wurden. Unfassbar, womit du deine Zeit verplemperst.
Und vielleicht – nur vielleicht – hatte er auch Angst, dass sie ihn davon überzeugte, dass die Sache tatsächlich verrückt war.
Schlendernd näherte er sich der Kreuzung 77th Street und First Avenue. An der Ecke erhob sich das hässliche weiße Apartmentgebäude, in dem er mit Laura Hayward wohnte. Er sah auf seine Armbanduhr. Es war acht. Laura war wahrscheinlich noch nicht
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