Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
Wochen hier, gerade erst kam die erste Ausgabe der Museology unter ihrer Leitung heraus, und sie stürzte sich mitten hinein in eine Kontroverse. Warum war ihr das so wichtig?
Aber sie kannte die Antwort bereits. Sie musste einfach ihren persönlichen Standpunkt in einer Sache vertreten, an die sie glaubte. Und in beruflicher Hinsicht, als Herausgeberin von Museology, war es das Richtige. Die Leute erwarteten, dass sich die Zeitschrift zu dieser Streitfrage äußerte. Schweigen oder ein schwaches, geschwafeltes Editorial würden alle bemerken. Es würde den Ton ihrer Herausgeberschaft festlegen. Nein – es war wichtig, zu zeigen, dass sich Museology auch weiterhin bedeutungsvoll zu zentralen Themen äußerte und vor keiner kontroversen Debatte zurückschreckte. Jetzt hatte sie die Gelegenheit, ihrem Berufsstand zu zeigen, dass es ihr ernst war.
Margo wandte sich wieder ihren Unterlagen zu. Weil das in Frage stehende Exponat der Ethnologischen Abteilung gehörte, waren es die dortigen Kuratoren, derentwegen sie sich am meisten Sorgen machte. Sie würde keine zweite Chance erhalten, ihre Argumente der gesamten Abteilung vorzutragen, und sie wollte ihren Standpunkt klar machen.
Weitere Kuratoren betraten den Raum, nickten ihr zu, plauderten miteinander, schüttelten die fast leere Warmhaltekanne, in der die Reste des am Morgen gekochten Kaffees zu dickem Sud verdampften. Jemand schenkte sich eine Tasse ein und stellte sie dann mit einem Klappern und einem unterdrückten Ausdruck des Abscheus wieder hin. Da kam Nora Kelly, begrüßte Margo herzlich und nahm ihr gegenüber am Tisch Platz. Margo sah sich um.
Jetzt waren alle zehn Kuratoren anwesend.
Als Letzter traf Hugo Menzies ein, der seit dem unzeitigen Tode von Dr. Frock sechs Jahre zuvor die Ethnologische Abteilung leitete. Menzies schenkte Margo ein ganz besonderes Lächeln und nahm am Kopfende des riesigen Tischs Platz. Weil sich die Artikel in Museology zum größten Teil mit ethnologischen Themen befassten, hatte man ihn zu ihrem Mentor ernannt. Überdies hatte er – so vermutete sie – ihre Einstellung betrieben. Anders als alle anderen Mitarbeiter, die anwaltsartige Aktentaschen bevorzugten, trug Menzies immer eine stilvolle Schultertasche aus Leinen von John Chapman & Company, einem der Top-Hersteller englischer Angel- und Jagdausrüstung. Im Augenblick nahm Menzies irgendwelche Papiere aus der Tasche und legte sie ordentlich vor sich hin. Dann setzte er seine Lesebrille auf, rückte die Krawatte zurecht und glättete seinen ungebärdigen weißen Haarschopf. Schließlich sah er auf seine Armbanduhr, blickte mit seinen lebhaften blauen Augen in die Runde und räusperte sich.
»Es freut mich, Sie alle hier zu sehen«, sagte er mit fein modulierter, altmodisch klingender Stimme. »Wollen wir anfangen?«
Alle raschelten mit ihren Unterlagen.
»Statt die übliche Geschäftsordnung durchzugehen«, sagte er und blickte dabei Margo an, »sollten wir sofort zu dem Thema kommen, von dem ich weiß, dass es Ihnen allen besonders am Herzen liegt: das Problem mit den Masken aus der Großen Kiva.«
Weiteres Rascheln von Papieren. Blicke auf Margo. Sie straffte den Rücken und ließ sich nichts anmerken. Aber tief in ihrem Herzen war sie davon überzeugt, Recht zu haben, und das verlieh ihr die erforderliche Stärke und Überzeugungskraft.
»Margo Green, die neue Chefredakteurin von Museology, hat darum gebeten, zu Ihnen allen sprechen zu dürfen. Wie Sie wissen, haben die Tano-Indianer um die Rückgabe der Masken aus der Großen Kiva ersucht, dem Herzstück unserer bevorstehenden Ausstellung. Als Leiter der Abteilung ist es meine Aufgabe, dem Direktor in dieser Angelegenheit eine Empfehlung auszusprechen: Ob wir die Masken herausgeben, sie behalten oder irgendeinen Kompromiss anstreben. Wir werden nicht darüber abstimmen, so demokratisch sind wir hier nicht, aber ich kann Ihnen versprechen, dass ich Ihre Ansichten nicht auf die leichte Schulter nehmen werde. Zudem könnte ich hinzufügen, dass der Direktor selbst den Rat des Kuratoriums und der Anwälte des Museums einholen wird, ehe er seine endgültige Entscheidung trifft, deshalb habe ich nicht das letzte Wort.« Er lächelte und wandte sich zu Margo um. »Und nun, Margo, darf ich Ihnen das Wort erteilen.«
Sie erhob sich und blickte in die Runde.
»Den meisten von Ihnen ist wahrscheinlich bekannt, dass ich vorhabe, in der nächsten Ausgabe von Museology ein Editorial zu veröffentlichen, in dem ich mich
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