Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
teure lederne Brieftasche.
»Was ist das?«
»Ihre neue Identität.«
Smithback klappte die Brieftasche auf. Es war kein Geld darin, nur eine Sozialversicherungskarte und ein New Yorker Führerschein. »Edward Murdhouse Jones?«, las er.
»Ganz recht.«
»Ja, aber Jones? Also ich bitte Sie, das ist doch ein Klischee.«
»Das ist genau der Grund, warum Sie keine Mühe haben werden, sich an den Namen zu erinnern, Edward.«
Smithback schob die Brieftasche in die Gesäßtasche. »Wie lange wird die ganze Sache dauern?«
»Nicht lange, hoffe ich.«
»Was meinen Sie damit – nicht lange? Einen Tag, zwei Tage?«
Keine Antwort.
»Wo zum Teufel bringen Sie mich übrigens hin?«
»Nach River Oaks.«
»River Oaks? Diese Klapsmühle für Millionäre?«
»Sie sind ein mit psychischen Problemen belasteter Sohn eines New Yorker Investmentbankers, der Ruhe, Entspannung, ein wenig nicht zu anstrengende Therapie und Absonderung von der hektischen Welt benötigt.«
»Moment mal, ich weigere mich, in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen zu werden…«
»Wie Sie feststellen werden, handelt es sich bei River Oaks um eine höchst luxuriöse Einrichtung. Sie werden ein Einzelzimmer haben, Gourmetessen und eine elegante Umgebung. Die Außenanlagen sind sehr schön – schade nur, dass sie im Augenblick unter fünfzig Zentimeter Schnee liegen. Es gibt einen Wellnessbereich, eine Bibliothek, ein Spiele-Zimmer und jeden erdenklichen Komfort. Die Klinik ist in einer ehemaligen Vanderbilt-Villa in Ulster County untergebracht. Der Direktor ist sehr mitfühlend. Er wird überaus zuvorkommend sein, das versichere ich Ihnen. Am wichtigsten aber ist: Das Haus bietet Ihnen absolute Sicherheit vor dem Mörder, der entschlossen ist, Ihr Leben zu beenden. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht mehr sagen darf, wirklich.«
Smithback seufzte. »Dieser Direktor – er weiß, wer ich bin, richtig?«
»Er besitzt alle Informationen, die er möglicherweise braucht. Man wird Sie gut behandeln. Mehr noch, Sie werden eine Sonderbehandlung bekommen.«
»Keine Zwangsmedikation? Keine Zwangsjacken? Keine Schocktherapie?«
Pendergast lächelte matt. »Nichts dergleichen, vertrauen Sie mir. Man wird Sie von vorne bis hinten bedienen. Eine Stunde Therapie täglich, mehr nicht. Der Direktor ist über alles informiert, er verfügt über alle erforderlichen Dokumente. Ich habe einige Kleidungsstücke gekauft, die Ihnen passen müssten.«
Smithback schwieg einen Moment. »Gourmetessen, sagten Sie?«
»So viel Sie wollen.«
Smithback beugte sich vor. »Aber Nora… Sie wird sich Sorgen machen.«
»Wie ich erwähnte, man wird sie in dem Glauben wiegen, dass Sie einen Sonderauftrag für die Times übernommen haben. Angesichts der Arbeit, die sie mit der Ausstellungseröffnung hat, dürfte sie ohnehin kaum Zeit haben, an Sie zu denken.«
»Wenn die hinter mir her sind, ist sie in Gefahr. Ich muss bei ihr sein, um sie zu beschützen.«
»Ich kann Sie beruhigen: Nora ist derzeit absolut sicher. Gleichwohl wird sie in Gefahr sein, wenn Sie in ihrer Nähe bleiben. Denn Sie sind im Visier des Mörders. Es ist zu Noras und zu Ihrem Besten, wenn Sie untertauchen. Je weiter Sie von ihr entfernt sind, desto sicherer wird sie sein.«
Smithback stöhnte. »Das wird katastrophale Folgen für meine Karriere haben.« Er spürte die Brieftasche in seiner Gesäßtasche. Edward Murdhouse Jones. »Tut mir Leid, mir gefällt das alles ganz und gar nicht.«
»Ob es Ihnen nun gefällt oder nicht – ich bin dabei, Ihnen das Leben zu retten.«
Darauf fiel Smithback nichts mehr ein.
»Haben wir uns verstanden, Mr Smithback?«
»Ja«, sagte der Journalist und merkte, wie ihn wieder dieses furchtbar bange Gefühl beschlich.
22
Nora Kelly bemühte sich, den Lärm in der Ausstellungshalle aus ihrer bewussten Wahrnehmung auszusperren und sich auf die vor ihr stehende Kiste voller Sand zu konzentrieren. Auf der einen Seite hatte sie jene Objekte ausgelegt, die angeordnet werden mussten: ein Skelett in Plastilin, dazu eine Reihe Grabbeigaben – unschätzbar wertvolle Stücke aus Gold, Jade, mehrfarbigen Keramiken, Elfenbein und handgeschnitzten Muscheln. Auf der anderen Seite der großen Kiste hatte sie das Foto einer echten Grabkammer aufgestellt, das nur Augenblicke nach der erstaunlichen Entdeckung des Grabes gemacht worden war. Es war das Grab einer Maja-Prinzessin namens Chac Xel aus dem 9. Jahrhundert, und Noras Aufgabe bestand darin, es in peinlich genauem
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